Die wilden Triebe

Dass in Lüxheim vieles anders ist als in anderen Orten gleicher Größenordnung, ist seit je her bekannt. Man erzählt auch nichts Neues, wenn man feststellt, dass die Einwohner des damals 320-Seelen-Ortes im Neffeltal immer dann zu „großer Form auflaufen“, wenn es um das Vereinsleben geht, das den Ort nach außen hin repräsentiert.

Schützenbruderschaft, Sportverein, Freiwillige Feuerwehr, Kirmesgesellschaft – diese vier Vereinigungen sorgten bis in die sechziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts dafür, dass in Lüxheim „immer etwas los war“, außer im Winter, dann war überall im Dorf „tote Hose“. Während in größeren Orten Karnevalsvereine für Stimmung  „in der fünften Jahreszeit“ sorgten, ließ man in Lüxheim die tollen Tage mehr oder weniger geruhsam an sich vorüberziehen. Woher sollte man auch die Leute nehmen, die Karnevalsveranstaltungen organisierten? Dafür war die Einwohnerzahl zu klein, zumal zusätzlich zu den vorgenannten Vereinen noch Kirchenchor, Kirchenvorstand, Gemeinderat, politische Parteien und sonstige Institutionen weitere Idealisten „verschlissen“. Da ließ man lieber das Karnevalstreiben auf sich zukommen: die Kinder gingen „rommele“, die Erwachsenen tranken ein paar Bier mehr, einige zogen kostümiert abends zu den Geschäftsleuten und Landwirten des Ortes oder besuchten Kostümbälle in der näheren Umgebung. Mit den Fernsehübertragungen der Rosenmontagszüge aus den Karnevalshochburgen klang für viel schon der Karneval aus.

Jetzt wären wir wieder bei der Einleitung angelangt, nämlich, dass in Lüxheim vieles anders ist als anderswo. Den Erwachsenen schien das Karnevalfeiern in der bisherigen Form zu genügen, nicht aber den Kindern. Diese waren es dann auch, die durch ihr gelungenes Experiment die Älteren ermutigten, das gleiche zu tun und dadurch „Schuld daran waren“, dass zukünftig Karneval  in Lüxheim einen höheren Stellenwert erhielt.

In den ersten Februartagen des Jahres 1966 kam ein Gruppe Kinder zu dem Landwirt Karl-Theo Hülden. Als Fürsprecherin hatten sie die Ehefrau des damaligen Dorflehrers Rathke mitgebracht. Karl-Theo, ansonsten sehr redegewandt, verschlug es fast die Sprache, als er den Wunsch der Kinder vernahm. Diese baten ihn, ihnen für Weiberfastnacht einen Anhänger zur Verfügung zu stellen, den sie schmücken und mit dem sie anschließend durch das Dorf ziehen wollten. Zur Fortbewegung des Wagens bedürfe es natürlich eines Traktors, und wenn Herr Hülden die Freundlichkeit besäße, seinen großen neuen Traktor ebenfalls zur Verfügung zu stellen, dürfe er diesen selbstverständlich selbst fahren.

Überrumpelt von soviel Dreistigkeit und Selbstbewusstsein sagte Karl-Theo schließlich zu, und die Kinder machten sich sofort ans Werk. Alte Dachlatten wurden zusammengenagelt, ein Gestell auf dem Wagen errichtet, mit Papier bespannt, bunt angemalt, mit Luftschlangen und Girlanden geschmückt, und fertig war der Karnevalswagen. Weiberfastnacht, am 17. Februar 1966 war es dann soweit.

Gegen 15.00 Uhr wurde der Traktor vor den Wagen gespannt, und unter großem Hupkonzert ging es durch das Dorf. Wie vor Hunderten von Jahren der Rattenfänger von Hameln zog dieser Wagen alle Kinder magnetisch an, und die Lüxheimer Dorfbewohner wurden Zeuge eines bisher nie da gewesenen Ereignisses: Ein richtiger Karnevalswagen mit Traktor zog durch das Dorf!

Einige Zuschauer am Straßenrand belächelten zunächst das Schauspiel, vielleicht, weil es „nur“ von Kindern inszeniert worden war. Als jedoch drei Tage später, an Karnevalssonntag, das gleiche „Spektakel“, etwas verfeinert von einer Handvoll Erwachsener, wiederholt wurde, fand man die Idee mit dem Karnevalswagen gut.

Angesichts des großen Zuspruchs, den dieser „Zug“ – übrigens ohne polizeiliche Genehmigung und Versicherungsschutz – bei der Dorfbevölkerung fand, machten sich einige „karnevalistisch angehauchte“ Leute ihre eigenen Gedanken: Es musste eine grundlegende Änderung in Bezug auf Karneval geschaffen werden. Das bisher „planlose wilde Treiben“, in dem jeder auf seine eigene Art versuchte, das Beste dem Karnevalsbrauchtum abzugewinnen, musste in geordnete Bahnen gelenkt werden, und Alle musste man „unter einen Hut kriegen“ Dass die Bevölkerung für eine solche Sache aufgeschlossen war, hatte sich am Experiment der Kinder gezeigt. Die Idee zur Gründung eines Karnevalsvereins war geboren..

Das Pflanzen des edlen Weinstocks

Am 12. März 1966 war es soweit. An dem Samstagabend saßen in der Gastwirtschaft Müller folgende sieben Männer an einem Tisch:

Peter Imdahl, Gottfried Klinkhammer,

Karl (Kai) Klinkhammer, Karl Heinz Klinkhammer, Heinz Lenzen

Heinz Pawlowsky, Horst Dieter Walter

Die Vorgenannten diskutierten lange über das waghalsige Unternehmen, noch einen weiteren Verein in dem 300-Seelen-Ort zu gründen. Zu dem Problem der zu werbenden Mitglieder kam noch das Fehlen der Aktiven in Gestalt von Büttenrednern, Sängern, Tänzerinnen und sonstigen Personen, die zur Gestaltung einer Karnevalssitzung notwendig sind. Doch unsere „sieben Aufrechten“ ließen sich nicht beirren und beschlossen, eine Karnevalsgesellschaft zu gründen. Lag es an dem allgemeinen Optimismus, an dem Vertrauen auf die Dorfbevölkerung oder an der Hoffnung, dass mit den beiden Büttenassen Peter Imdahl und Heinz Lenzen, beide bereits über die Grenzen des Kreisgebietes hinaus als „Plaat un Pläätche“ bekannt, nichts schief gehen könne; keiner der damals Beteiligten kann heute definitiv sagen, welche Beweggründe sie zu dem Entschluss geführt hatten.

Kaum war das Thema Vereinsgründung vom Tisch, tauchte das nächste Problem auf. Wie sollte der neue Verein heißen? Löstige und Fidele Jonge, solche Vereinsnamen gab es schon reichlich im Umkreis; für Lüxheim musste es etwas besonderes sein. Hier konnte die Wirtin Agnes Müller hilfreich einspringen. Ihr Vorschlag „Karnevalsgesellschaft Lüxheimer Spätlese 1966“ wurde einstimmig akzeptiert.

Das Wachsen der Triebe

Das Pflänzchen Spätlese war gesetzt; jetzt hieß es nur noch auf ein gutes Gedeihen hoffen. Gleich am Gründungsabend meldeten sich vier weitere Lüxheimer in dem neuen Verein an: Arnold Beys, Ludwig Müller, Hans Willi Pieck und Hans Weber. Einschließlich der Gründer hatte man jetzt einen „Elferrat“ zusammen, mit dem man schon etwas anfangen konnte. Peter Imdahl, Gottfried Klinkhammer, Heinz Lenzen und Hans Willi Pieck waren Büttenredner, Hans Weber Organisator der Gesangsgruppe „Die Pökels“, Arnold Beys stellte den Platz und Fahrzeuge für den Wagenbau zur Verfügung, Ludwig Müller stand, unterstützt von seiner Frau Agnes, als Vereinswirt mit Rat und Tat zur Seite, Kai und Karl Heinz Klinkhammer sowie Heinz Pawlowsky und Horst Dieter Walter konnten beim Wagenbau und bei den sonstigen anfallenden Arbeiten kräftig zupacken.

Als bis Ende des Monats März, wenige Tage vor Ostern, zu einem Zeitpunkt, da kein „normal denkender Lüxheimer“ an Karneval im nächsten Jahr dachte, sich weiter sechs Neulinge der Spätlese angeschlossen hatten, konnte man sicher sein, dass die Gründer mit ihrer Idee ins Schwarze getroffen hatten.

Ein halbes Jahr später, Ende September 1966, hatte die Spätlese 21 Mitglieder. Hierunter befanden sich mit Tilly Kopp, Marianne Krudewig und Agnes Müller drei Frauen, die für ihre Geschlechtsgenossinnen quasi den Weg zur Aufnahme in die Spätlese bahnten. Wie wichtig die Frauen speziell für die Spätlese geworden sind, wird an anderer Stelle noch deutlich werden.

Fünf Jahre nach der Gründung zählte die Spätlese 57 Mitglieder, hiervon 21 weiblichen Geschlechts. Nach dem elfjährigen Bestehen im Jahre 1977 wurde mit 101 Mitgliedern (39 weiblich) die Schallgrenze von 100 erstmals überschritten. Fast ein Drittel der Dorfbevölkerung war also in der Spätlese.

Vor Beginn der Jubiläumssession 1988 sah die Bilanz noch erfreulicher aus: 135 Erwachsene, hiervon 63 Frauen waren listenmäßig als Mitglieder der Spätlese registriert; hinzu kamen noch 35 Kinder und Jugendliche, die für die Spätlese aktiv waren. Dies bedeutet, dass 170 Personen für die Karnevalsgesellschaft in irgendeiner Form tätig waren, mehr als die Hälfte der Dorfbevölkerung. Man konnte also mit Recht behaupten, dass offiziell „jeder zweite Lüxheimer jeck war“.

Die Traubenreife

Wie heißt es in einem alten Karnevalsschlager so schön? “ Der Wein muss alt und jung das Mädel sein!“ Diese Weisheit trifft zumindest in ihrem ersten Teil auch auf die Spätlese zu; je älter sie wird, desto besser!

„Ganz klein wurde angefangen“ mit einem „Lustigen Abend“ in der Gastwirtschaft Müller. Damals gelang es noch, zwei Büttenredner für insgesamt 30,–Mark (in Worten: dreißig) zu verpflichten, die Musikkapelle erhielt 70,– Mark für den Abend. Alte Karnevalisten werden zu Recht feststellen: „Was waren das für herrliche Zeiten!“

Die erste „größere“ Ausgabe wurde am 4. November 1967 getätigt: 240,– Mark für die Kostüme der ersten Tanzgarde. Am 17. Februar 1968 konnte man stolz die erste Sitzung der Spätlese präsentieren, aber – getreu dem Motto „In Lüxheim ist vieles anders“ – nicht in Lüxheim, sondern in Eggersheim, im Saal Reimer. 221 Eintrittskarten wurden verkauft; ferner konnte eine „Stiftung“ von 20,– Mark vereinnahmt werden. Da die Musikkapelle für die Sitzung mit anschließendem Tanz lediglich 156,– Mark erhielt, und die GEMA damals noch nicht die Preise von heute kannte, wurde die Sitzung fast zu einem „Geschäft“ für die Spätlese. Sogar Orden wurden verteilt, gusseiserne kleine Wandbilder, hergestellt von Peter Imdahl, selbstverständlich kostenlos.

Im Programm waren neben den Lüxheimer Rednern, der Lüxheimer Funkengarde, bestehend aus dem  Geschwisterpaar Josef  und Käthe Kerin, Maria Hövel sowie Brigitte Schroeder, fast alle Aktiven der Karnevalsgesellschaft Lengeschdörpe Klompe vertreten. deren damaliger Vorsitzender Willi Kuck, später Präsident und heute Ehrenpräsident des Regionalverbandes Düren, führte als Sitzungspräsident durch das Programm.

Selbstverständlich waren die Auftritte der Lendersdorfer Freunde ebenfalls kostenlos. wie viele weitere Darbietungen in den folgenden Jahren.

Mit Recht kann man den Lendersdorfern bescheinigen, dass sie durch ihre Unterstützung einen großen Teil zum „Reifen der Spätlese beigetragen haben. Hierzu möchten wir an dieser Stelle den Lendersdorfer Karnevalisten unseren allerherzlichsten Dank ausdrücken. Gleichzeitig können wir aber nicht ganz ohne Stolz behaupten, dass wir die Starthilfe, die uns von den Lengeschdörpe Klompe gegeben worden ist, in späteren Jahren an andere junge Karnevalsgesellschaften unsererseits weitergeben konnten.

Die nächsten beiden Sitzungen der Spätlese, am 2. Februar 1969 und am 24. Januar 1970. fanden noch in Eggersheim statt. Dennoch stieg von Jahr zu Jahr die Anzahl der Lüxheimer Aktiven im Programm. Zusätzlich zu den Lüxheimer Akteuren aus der ersten Sitzung traten 1969 erstmals zwei Gesangsgruppen aus Lüxheim auf, „die Pökels“ (später als Lüxheimer Hofsänger), eine Männergruppe, und die „Rot-weißen Bomber“, eine Frauengruppe, die1970 die „Großen Acht von Radio Luxemburg“, eine Schlagerparade, präsentierte.

Erstmals brauchte 1970 die Spätlese den Sitzungspräsidenten nicht mehr „auszuleihen“, weil Siegfried Will, ein „Schnösel“ von 23 Jahren, von den Mitgliedern ausgeguckt worden war, das Amt des „Orden- und Bützchenverteilers“ zu übernehmen. Dass diese Aufgabe noch Jüngere übernehmen können, wird an anderer  Stelle noch erläutert werden. In der besagten Sitzung von 1970 gab neben dem Präsidenten noch eine Tanzgruppe ihr Debüt, nämlich unsere allseits geliebten „Spätlese-Girls“. Die Damen befanden sich alle in dem für Tänzerinnen doch etwas  fortgeschrittenem Alter zwischen 30 und 40 Jahren, doch dies hinderte sie nicht daran, die Vereinsfarben bei fremden Sitzungen würdig und mit großem Publikumserfolg zu vertreten.

Die nächsten vier Jahre waren für die Karnevalisten von besonderer Bedeutung: 1971, und zwar am 13. Februar, fand die erste Sitzung in Lüxheim statt, in einem geliehenen Zelt auf dem Schulhof. Vielen Mitgliedern schien das Risiko wegen der zu erwartenden Unkosten zu hoch und drohten mit Vereinsaustritt, doch der Mut des damaligen Vorstandes wurde belohnt. Das ganze Dorf machte mit bei dem „Jahrhundertereignis“, und nach Karneval waren die Kritiker stumm. In dieser Session begann die Spätlese ihre Aktivitäten auch bei anderen Gesellschaften zu demonstrieren, so dass im Rahmen des Austausches erstmals bei der Lüxheimer Sitzung Karnevalisten aus Golzheim, Jakobwüllesheim und Nörvenich begrüßt werden konnten.

Am 5. Februar 1972 wurde ein weiterer Meilenstein in der Vereinsgeschichte gesetzt. Nach einigen tausend Arbeitsstunden von Vereinsmitgliedern und freiwilligen Helfern war es gelungen, die damalige Maschinenhalle von Ernst Will in die sogenannte „Festhalle“ umzufunktionieren und vor ausverkauftem Saal eine prächtige Sitzung zu präsentieren, die zur Folge hatte, dass die Mitgliederzahl um 30 % stieg.

Die Session 193 brachte eine weiter Neuerung im Veranstaltungskalender der Spätlese: Am 26. Januar wurde die erste Fremdensitzung veranstaltet, der am 24. Februar die Prunksitzung folgte. Dies bedeutete, dass von dieser Session an im Abstand von vier Wochen zwei Sitzungen dem närrischen Publikum dargeboten wurden. Für die Fremdensitzungen wurden zunächst Profis aus dem Dürener Raum, später aus Aachen, Bergheim, Bonn, Euskirchen und Köln verpflichtet, Namen, die tlw. aus Funk und Fernsehen bekannt waren. Da die Spätlese später nicht mehr bereit war, die Preistreiberei hinsichtlich der Honorarforderungen der Profis mitzumachen und um eigenen Nachwuchsleuten eine Chance zu geben, wurde 1980 die letzte Fremdensitzung veranstaltet.

Dies hatte zur Folge, dass immer mehr Lüxheimer Kräfte das Programm gestalteten, so dass in der Jubiläumssession 1988 ein vierstündiges Programm mit eigenen Kräften geboten werden konnte.

Leider sind die Jahre auch an den damaligen Aktiven der Spätlese nicht spurlos vorüber gegangen, so dass einige – insbesondere die Redner – zwischenzeitlich u.a. aus Altersgründen der Bühne bzw. der Bütt „Adieu“ gesagt haben. Doch „sprachlos“ ist die Spätlese trotzdem nicht ganz, denn 1992 kamen die beiden Nachbarinnen Anni Kunth und Anni Vogel auf die Idee, es mit einem Zwiegespräch in der Bütt zu versuchen und beleben seitdem die jährlichen Sitzungen.

Die Ableger der Stöcke

Wie lautete die Einleitung dieser Festschrift? „In Lüxheim ist vieles anders!“

Dies gilt auch für den karnevalistischen Nachwuchs. Fast alle Karnevalsgesellschaften, die eine Kindersitzung veranstalten möchten, haben in irgendeiner Form Probleme. Entweder sind nicht genügend Aktive vorhanden, um eine Sitzung gestalten zu können, so dass man im Austauschverfahren bei anderen Gesellschaften Kräfte ausleihen muss, oder es fehlen die Ausbilder für die jungen Büttenredner, Gesangs- und Tanzgruppen. Hinzu kommt das finanzielle Problem für die Kostüme der Kleinen.

Solche Schwierigkeiten gab es bei der Spätlese fast drei Jahrzehnte nicht. Als Karnevalsdienstag 1974 die erste Kindersitzung „gelaufen war“, Hörte man aus Zuschauerkreisen nur: „War das schön!“

Was war geschehen? Unsere allseits verehrte Maria Krämer, zwischenzeitlich mehrfache Großmutter, hatte den Vorstand lediglich gebeten, die Halle für eine „Sitzung der Kinder“ nutzen zu dürfen, alles andere regele sie. Das Resultat war, dass auch solche Personen zu Stammgästen der Kindersitzung geworden sind, die man ansonsten mit Karneval nicht „hinterm Ofen“ hervorlocken konnte. Frau Krämer verstand es einzigartig, die Kinder – wie es eben  dem Naturell der Kinder entspricht – spielerisch an den Karneval heranzuführen, und nicht, wie es leider in vielen Kindersitzungen geschieht, als „Miniausgabe“ der Erwachsenen in professioneller Form. Ob Büttenreden, Tanz- oder Gesangsdarbietungen, alles wurde in einer solchen Art dargeboten, dass die „kleinen Besucher“ im Saal immer in Versuchung gerieten, auf die Bühne zu klettern, um dort mitzumachen. Hier kann man noch vom echten „Karneval der Kinder“ reden. Dass alle Darbietungen von Frau Krämer einstudiert wurden, versteht sich von selbst, und dank ihres Einfallsreichtums und Fleißes brauchte die Vereinskasse über den langen Zeitraum auch nicht mit Unkosten für Kostüme der Kleinen belastet werden. Das Problem der Orden wurde alljährlich von Rita Schneider in Zusammenarbeit mit ihren Töchtern Margit und Gudrun gelöst, indem diese die Kinderorden von Hand herstellten und somit die Vereinskasse ebenfalls verschonten. Die Dritte im Bunde, die mit starkem Engagement für die Kindersitzungen verantwortlich zeichnete, war Sibilla Jöntgen.

Doch leider wurde auch Frau Krämer älter und übergab ihren doch „stressigen Job“ mit den Kindern zunächst an ihre Tochter Anni Kunth. Anni operierte dann für einige Jahre nach dem Strickmuster ihrer Muster, doch von Jahr zu Jahr wurden im Austausch mit anderen Gesellschaften immer mehr auswärtige Nachwuchs-karnevalisten in das Programm eingebaut. Heute ist es so, dass am Tage der Kindersitzung die Nikolausstraße in Lüxheim fast komplett zu geparkt ist, da zahlreiche Gastgesellschaften gerne zur Spätlese kommen und froh sind, dass ihr Nachwuchs auf der Lüxheimer Bühne auftreten kann. Andererseits sind dadurch unsere Kinder alljährlich mit reichlich auswärtigen Auftritten „zugedeckt“. Verantwortlich für die Kindersitzungen sind mittlerweile die beiden Jugendvorsitzenden Karina Krämer und Karen Felser, unterstützt von der Schatzmeisterin Sybille Klinkhammer.

Was Karneval für die Kinder bedeutet, wird besonders 1991 deutlich: Aufgrund des damaligen so genannten „Golfkrieges“ sagte die Spätlese alle offiziellen Veranstaltungen ab. Man traf sich zwar zu einem Bier in der Halle, es gab auch Musik vom Band, doch richtiger Karneval sah anders aus. Drei Kinder, deren Wurzeln aus Lüxheim kamen, schafften es – wenn auch nur auswärts – für die betreffende Session das höchste Amt im Karneval auszuüben. Nicole Klinkhammer, älteste Tochter unserer jetzigen Schatzmeisterin, war Kinderprinzessin in Merzenich, Yvonne Gierling, Enkelin unseres Mitgründers Horst-Dieter Walter, übte das gleiche Amt in Rommelsheim aus, und Michael Krämer, Enkel unserer lieben Maria Krämer, war Kinderprinz in Nörvenich. Diese Tatsache ist ein weiteres Indiz für die Karnevalbegeisterung unserer Sprösslinge.

Die Weinlese

Ein Bruchteil der Ernte, den das „Pflänzchen Spätlese“ brachte, wurde bereits im Artikel über die „Traubenreife“ deutlich. Auch wenn der Name zunächst belächelt wurde und manchmal als Ziel eines Witzes diente, ist er heute ein Begriff geworden über die Kreisgrenzen hinaus, so dass man von einer guten Ernte sprechen kann. Wenn man bedenkt, welche Schwierigkeiten nach der Vereinsgründung erwartet werden mussten, ist bereits die Tatsache als Erfolg zu werten, dass man am 6. November 1976 mit einem Festkommers die elfte Session einläuten konnte.

Bei diesem Anlass wurde erstmals eine Pflanze aus dem Weinberg der Spätlese präsentiert, die drei Jahrzehnte lang dicke Trauben von bestem Geschmack getragen hat, unser Fanfarenkorps. Als „Kellermeister“ war Heinz Lenzen wiederum dafür verantwortlich, dass dieses Korps zunächst als Jugendkorps gegründet wurde. Zunächst fungierte Franz Josef Kopp als Korpsführer, dann Robert Breuer und zum Schluss Helmut Klinkhammer.

Als im Laufe der Jahre aus den anfänglichen Kindern Jugendliche und später Volljährige mit eigenen Ansichten wurden, war es nur dem Optimismus und der Geduld von Heinz Lenzen zu verdanken, dass keine größeren Krisen das Korps erschütterten. Jeder Übungsleiter, ob anfangs Martin von Hagen oder später Karl Josef Lenzen, jeder hat sein Bestes gegeben, doch irgendwann war immer ein Stillstand hinsichtlich der Leistungen zu verzeichnen, und die Korpsmitglieder mussten neu motiviert werden. Im Frühjahr 1985 gelang Heinz Lenzen ein Glücksgriff, indem er Willi Schneider aus Geich als Übungsleiter verpflichten konnte. Seit diesem Zeitpunkt ging es mit dem Korps steil bergauf. Da bekanntlich ohne Fleiß kein Preis zu erzielen ist, waren die Übungsabende nicht immer ein Zuckerschlecken für die Korpsmitglieder.

Trotz des hohen Zeitaufwandes für Proben und Auftritte waren die Korpsmitglieder mit Leib und Seele bei der Sache und konnten 2001 das 25 jährige Bestehen feiern. Doch leider zeigten sich im Laufe der Jahre auch hier „Verschleißerscheinungen“, weil das eine oder andere Mitglied aus beruflichen, familiären oder sonstigen Gründen dem Korps – tlw. schweren Herzens- „Ade“ sagen musste.

Für Kinder und Jugendliche des Ortes war das Interesse an einer Mitgliedschaft nicht besonders groß, zum einen, weil zu Hause Computerspiele lockten, zum anderen weil Neuankömmlinge aufgrund der Qualität des Korps nach frühestens einem halben Jahr Proben ihren ersten Auftritt absolvieren durften. Es kam, wie es bei dieser Konstellation kommen musste, nach genau dreißig Jahren  und knapp 500 Auftritten 2006 seinen Betrieb eingestellt. Erfreulicherweise gibt es jedoch noch einige „zähe Kämpfer“, die alljährlich dem Lüxheimer Martinszug  bis heute noch die musikalische Note verleihen. Sind diese Leute der Grundstock für ein neues Korps???  Es wäre äußerst wünschenswert.

Jahre bevor das Fanfarenkorps seine musikalischen Aktivitäten einstellte, entdeckte unser Tausendsassa Peter Imdahl – Mitgründer, Büttenredner, Sänger, Tänzer, Sitzungspräsident – seine besondere musikalische Ader, in dem er eine Dorfhymne zauberte, zu der er 1994 Text und Musik schrieb.

Refrain:   Löxem, Löxem, du bes schön, Heimatdörpche kleen,

Nur en Löxem well ich senn, he ben ich doheem.

Em Boisch, do flüß dä Neffelbaach stell en sengem Bett,

un all Löksche jruß on kleen senn he richtig nett.

Dä Möscheberg am Waldesrand eß alt on jong bekannt,

on jedes Johr zur Winterzeit send mir erop jerannt.

Dann wued en Schlittefahrt jemaat bes medde en de Naht.

Dä helleja Mann hätt off jelaach: mir fuhren en de Baach.- Jo!

De Sandkul un emm Wasserturm do worre mir öf dren.

Wenn hu die Sonn am Hemmel stond, dann jenge mir dohenn.

Emm Wasserturm do klomme mir bis offen en de Turm,

und wenn ens ene boue wollt, wuet Sand mem Päät jehollt- Jo!

Wenn hu die Sonn am Hemmel stond, un et wor richtisch warm,

dann spellte mir em Opsprong emme Räuber un Schandarm.

Uss Holz de wuet en Bud jebout, jo die war wunderschön,

von drenne konnt me ovends dann op dat Kapellche sehn-Jo!

Em Neffeltal, su witt verzallt, ich jlöv, dat es jewess,

en Dunkelsburg jestande hätt, die do versonke es.

Om Bahndamm fuhr de Bimmelbahn, konnt me von weggem sehn,

mein Jott watt wor die Zeck en Löxem damals richtig schön.-Jo!

Die Noten dieses herrlichen Liedes können beim Komponisten kostenlos angefordert werden, GEMA-Gebühren fallen ebenfalls nicht an.

Die letzte Zeile über die damals schöne Zeit konnte man ohne weiteres auf das Jahr 1994 übertragen. Durch den Bau der neuen Halle  (s.a. Kapitel „Rosinen aus 4×11 Jahre Weinlese) wurde nicht nur Peter Imdahl animiert, etwas Besonderes zu schaffen, sondern 17 weitere Mitglieder aktivierten zwei Gruppen: Andrea Gottschalk und Alice Klinkhammer hatten   innerhalb von drei Wochen  ein  Männer-

ballett bühnenreif gemacht. Robert und Wolfgang Breuer, Volker Franzen, Franz Josef Fuß, Toni Hoekstra, Helmut Klinkhammer und Jochen Lenzen hießen die „Ballerinen“.

Frank Franzen, Helmut und Nicole Klinkhammer, Andreas, Christoph und Stefan Krantz sowie Frank und Jörg Schneider bildeten die „Boys und Girl Group“ mit dem Namen „Schlabberlappe“, die nicht nur in Lüxheim sondern auch in weiten Teilen des Kreises Düren musikalisch für Furore sorgten.

Früher verpflichteten wir Karnevalisten aus Düren, Euskirchen und Köln, bis dato fahren wir in diese Städte, weil man dort an der Spätlese interessiert ist. Bisher haben Aktive der Spätlese rd. 350 auswärtige Karnevalsveranstaltungen in den Kreisen Aachen, Düren, Erftkreis, Euskirchen und Köln durch ihre Darbietungen bereichert. Sogar in der Hauptstadt Berlin konnte das Fanfarenkorps im November 1996 mit der befreundeten KG Füssenicher Grieläächer bei mehreren Auftritten sein Können unter Beweis stellen und dafür sorgen, dass Lüxheim nunmehr auch in Berlin bekannt ist. Nach Berlin folgten in zwei aufeinander folgenden Jahren ebenfalls mit den Freunden aus Füssenich zwei Fahrten nach Blaye in Frankreich. Somit kann das Korps internationale Auftritte in seiner Chronik festhalten. Auch wenn die meisten Auftritte der Spätlese-Aktiven  überwiegend im Austausch durchgeführt wurden, ohne „großes Geld“ zu kassieren, kann man doch von einer reichen Ernte sprechen, oder???

Das gleiche gilt für die eigenen Veranstaltungen. Bis Ende dieses Jahres hat die Spätlese insgesamt knapp 300 mal eingeladen, dabei zu 50 Sitzungen und 36 Kindersitzungen. Wenn man bedenkt, dass keine der Veranstaltungen ein echter „Flop“, also Reinfall war, können unsere Gründer stolz sein auf das, was sie vor 44 Jahren in die Wege geleitet haben.

Welcher Ort hat einen Veranstaltungsraum, der eine größere Personenzahl fasst als die Einwohnerzahl, und dieser Raum ist bei den Sitzungen „voll“: von 1974 bis 1980 jährlich dreimal innerhalb von vier Wochen, ab 1981 bis heute zweimal. Dies bedeutet, dass die Spätlese auch Auswärtige nach Lüxheim zieht, und zwar mit Karneval „made in Lüxheim“.

Bei der Ernte darf man auch nicht die „Früchte“ vergessen, deren „Blüte“ in den Kindersitzungen und deren „Reife“ in den Prunksitzungen erfolgte. Gemeint sind die Nachwuchskräfte, die ihre ersten Bühnenschritte in der „kleinen Sitzung“ wagten, um später mit Routine das Programm der „großen Sitzung“ bereichern zu können. Hierbei denke ich an Mitglieder der heutigen Tanzgruppen und die meisten ihrer Vorgängerinnen, an unseren „Westentaschen-Heino“ Helmut Klinkhammer – seit 1991 bereits erfolgreicher Vorsitzender der Spätlese-, an die „Spider Murphy Gang“ Michael und Ralf Klinkhammer, Ralf Franzen, Michael Krohm sowie Klaus Pawlowsky oder aber an Katrin Imdahl als Tanzmariechen und Büttenrednerin, die inzwischen als zweifache Mutter ihre Aktivität darauf beschränkt, ihre Tochter Jule zu einem hervorragenden Tanzmariechen auszubilden, leider in ihrem neuen Wohnort Schlich.

An dieser Stelle möchte ich an alle Eltern appellieren, die von ihren Kindern in der kleinen Sitzung angedeuteten Talente zu fördern und auch im Teenager-Alter zum „Durchhalten“ zu überreden.

Dabei wären wir bei einem besonderen Produkt aus den Kindersitzungen: Wie sang Weltstar Udo Jürgens vor einigen Jahrzehnten? „Siebzehn Jahr, blondes Haar, so stand sie vor mir!“ In Lüxheim hätte man in der Kostümsitzung 2000 fast sagen oder singen können: „Siebzehn Jahr, schwarzes Haar, so stand er vor uns!“ Er, das war Joachim -genannt Jojo- Kunth, der jetzt nicht als Kinderpräsident, sondern als echter Präsident die große Sitzung unter fachkundiger Beratung durch Heinz Lenzen mit Bravour leitete. Vierzehn Tage vorher war Jojo gerade 18 geworden, so dass die Spätlese keine Probleme mit dem Jugendschutz hatte. Ob der Sitzungstermin absichtlich bis zur Volljährigkeit des Präsidenten gelegt worden ist, darüber gibt es keine Überlieferung. Jetzt geht Jojo schon in die elfte Session und aufgrund seines Alters könnte er locker  ein goldenes Präsidentenjubiläum feiern, was dem Verein sehr zu wünschen wäre.

Mit Spannung erwartet er jedes mal die auswärtigen Auftritte. Die Gründe hierfür schildert er in den nächsten Zeilen:

Wie heißt denn nun der Präsident?

Bei sämtlichen Auftritten fiebern Eltern, Geschwister, Trainerinnen, Mariechen,  Tanzpaar,  Tanzgarden  und Elferrat den Tänzen mit Spannung entgegen. Natürlich auch auswärts  bei  Gastauftritten.  Doch  bevor  diese Tänze stattfinden, wird in den letzten Jahren einem mit höchster Beliebtheit und  größter  Spannung  erwarteten Highlight entgegen gefiebert. Nein, nicht ob jemand beim Aufmarsch die Treppe hochstolpert, einer vom Elferrat den Hosenstall offen hat oder der Präsident die Kappe falsch herum trägt.

Es ist eigentlich eine völlig normale Sache und gehört zu jedem Auftritt dazu. Dennoch ist es für alle Beteiligten zu einem riesigen Spaß geworden, wenn der gastgebende Präsident den Präsidenten der KG Lüxheimer  Spätlese  1966 e.V. begrüßt.  Die  amüsantesten  Namen  kommen  hierbei  heraus, wie z.B. Joachim

Kuhnt, Jochen Kunzt, Jojo Kunze, Hajo Kuhnat etc. etc. Sie können sich vorstellen, dass die Varianten noch

beliebig erweitert werden können und es jedem, ob auf der Bühne oder im Publikum, ein Schmunzeln ins Gesicht treibt- übrigens auch dem Präsidenten selbst.

Also nun zur Aufklärung: Der Präsident heißt Joachim Kunth.

Zugegeben ist Hans Müller, Josef Meier oder Peter Schmitz etwa einfacher, doch eigentlich ist Joachim

Kunth auch nicht sooo schwer. Zum Schutze der Präsidentenkollegen sei jedoch gesagt, dass nicht Alle

Probleme mit dem Namen haben. Dennoch sind auch diese sicherlich froh, wenn sie von der Bühne

runterkommen und einfach wieder unförmlich „Jojo“ sagen können.

2003 wurde eine Gruppe aus dem Hut gezaubert, deren Entstehung und Motivation von unserem Vorstandsmitglied Frank Hammant in nachfolgendem Beitrag erläutert wird. Frank als „Zugereister“ stellt ein Paradebeispiel dar, wie schnell man sich in Lüxheim in das Dorfleben integrieren kann.

Die Löxeme Poppeköpp

Hier wollen wir Ihnen die Geschichte des Männerballetts „Löxeme Poppeköpp“ etwas näher bringen.

Alles fing an, als Elferratsmitglied Frank Hammant 2002 mit der Idee aus Amerika kam. ein Männerballett in Lüxheim zu gründen. Schnell waren im Laufe der Kostümsitzung Bierdeckelverträge unterschrieben, von denen am nächsten Tag natürlich niemand mehr etwas wusste bzw. wissen wollte. Dennoch blieb man hartnäckig und die wirren Planungen nahmen langsam Gestalt an.

Bei etlichen Kästen Bier im Sommer und intensiven Gesprächen im Park nahe „Lüxheim City“ konnten die wöchentlichen schweißtreibenden- weswegen sie auch so viel trinken mussten- Trainingseinheiten im Herbst beginnen. Zwischenzeitlich hatten die Männer mit Petra Schmitz eine aufstrebende Trainerin gefunden, die genau in das Beuteschema des Balletts passte. Mit harter Hand, strengen Blicken und lauter Stimme sorgte sie dafür, dass eiserne Disziplin herrschte und dem schluckintensivem Training ein grandioser Auftritt auf der Kostümsitzung 2003 folgen sollte.

Fünfzehn junge Männer im Alter von 16 -35 Jahren fieberten dem großen Höhepunkt entgegen. In Lüxheim wollte man gar nicht glauben, dass diese Chaotentruppe tatsächlich etwas auf die Beine stellen würde, und das ohne Legionär, quasi aus der eigenen Jugend heraus gezüchtet. – Respekt Männer! –

Aber man belehrte das Dorf eines Besseren. Von Dirk Bille bis Fabian Wagner war nicht nur alphabetisch alles vertreten, sondern auch größentechnisch hatten sie alles dabei, was Rang und Namen besaß. Ein fescher Einmarsch zu den Klängen von „girls, girls, girls“ der Gruppe „Sailor“ brachte sofort die gesamte Halle in Partystimmung. Folglich regnete es rote Rosen von den Brettern, die die Welt bedeuten, auf das phantastische, begeisterte Volk hinunter. Aber das war noch nicht alles.

Es folgte der „French can can“ in wilder Westernmanier; noch heute sind wir uns sicher, dass sich Jacques Offenbach im Grabe herumdrehte. Die Truppe bot Akrobatik pur, die Damen riss es verständlicherweise von den Sitzen, und die Trainerin konnte nicht fassen, dass sie sich so gut verkaufen würden- okay, sie hat bestimmt auch Sachen gesehen, die eigentlich nicht zum Tanz gehörten, aber da sieht man mal, wie spontan die Jungs auf der Bühne waren. Vom Handstand über waghalsige, atemberaubende Hebefiguren bis zum doppelten Radschlag hatten sie alles in Petto. Die Zauberei nahm wahrlich kein Ende. Ein Wahnsinnsprogramm spulten sie ab, die Jungs.

Man munkelt noch heute, dass so manch einer das aufgenähte rote Herz auf der Unterhose am nächsten Morgen von hinten nach vorne gedreht hatte. So stürmisch war es bisher wohl nur im Wilden Westen.

Nach dem Auftritt ist vor dem Auftritt, und so kam es, dass sie einige Wochen später schon wieder in den Planungen für die kommende Session waren. Die Erwartungshaltung war natürlich riesig, und der Druck für den einen oder anderen war schon enorm. Aber man bot auch im nächsten Jahr einen viel umjubelten Auftritt.

Zum Einmarsch donnerten heiße  Techno-Rhythmen durch das Gebälk, und die Stimmung war wieder zum Zerreißen. Als Cheerleader boten die Poppeköpp wiederum eine spektakuläre Darbietung. Ein kölsches Potpourri brachte die Lüxheimer wieder auf 180, und die sexy Kostüme verhagelten so manch junger Dame die klaren Gedanken.

Es war ein würdiger Abschied für die Poppeköpp, nach einer zugegeben sehr kurzen, aber intensiven Karriere, die sogar in Berlin hätte enden können. Dieses Angebot wurde jedoch auf Grund der starken Heimatverbundenheit und dem in Berlin nicht vorhandenen Bitburgers dankend abgelehnt.

LÜXHEIM, ES WAR NUR FÜR EUCH!!!

Vielleicht sieht man das Männerballett irgendwann einmal wieder. Die Spätlese würde sich jedenfalls sehr darüber freuen, einen so professionellen Beitrag auf der eigenen Sitzung in der Bürgerhalle begrüßen zu dürfen.

Mitwirkende waren: Trainerin Petra Schmitz, Dirk und Sascha Bille, Bastian Bönsch, Julian Breuer, Stefan Esser, Frank Hammant, Holger Hilden, Günther und Ralf Klinkhammer, Alexander Krämer, Martin Kunth, Thomas Olefs, Benjamin und Sebastian Schmitz und Fabian Wagner.“

Zur Motivation unserer jungen Weintriebe wurden Fahrten organisiert. Neben einer Fahrt nach De Efteling in den achtziger Jahren wurde fast jährlich ins Phantasialand gefahren. Um dem Hang unserer Kinder nach Abenteuer zu entsprechen, wurde 1995 erstmals in unserer Vereinsgeschichte ein Zeltlager auf dem Sportplatz veranstaltet. 1996 fuhr man für eine Nacht auf den Campingplatz nach Hausen. 1997 stand dann eine dreitägige Fahrt mit dem Bus in den Ferienpark nach Saarburg auf dem Programm.

Die Winzer und Winzerinnen der Spätlese

Als erste Winzer (Vorstandsmitglieder) waren 1966 für die Freude der Lüxheimer verantwortlich:

Vorsitzender:                                                                           Heinz Lenzen (bis 1991, heute Ehrenvorsitzender)

Kassierer:                                                                                Horst-Dieter Walter

2. Vorsitzender und Schriftführer:                                             Peter Imdahl

Alle Vorstände, ob der erste oder der heutige, hatten bzw. haben eines gemeinsam: „Viel Arbeit!“ Der objektive Betrachter wird sagen: „Was früher drei Leute geschafft haben, dazu brauchen die heute 14!“ Ohne die Leistung der „ersten Männer“ schmälern zu wollen, muss man feststellen, dass es damals nicht die Vielfalt der Aufgaben zu bewältigen galt, die heute alljährlich die Spätlese belasten. Dieses dürfte dem aufmerksamen Leser nicht entgangen sein.

Ob Tanzmariechen, Tanzgruppen, Gesangsgruppe, Karnevalszug, Sitzungen, Tanzveranstaltungen, Bühnen- und Saaldekoration, auswärtige Besuche und vieles mehr, jeder einzelne Punkt verlangt Betreuung bzw. Organisation, die man nicht „auf die Buckel“ einer Handvoll Leute “ abwälzen kann. Dass dabei die Frauen in der Spätlese ebenfalls „ihren Mann stehen können“, haben sie immer wieder bewiesen. Nicht von ungefähr ist daher der jetzige Vorstand – wie schon vor 22 Jahren- zu 35 %, also mehr als zu einem Drittel, mit Frauen besetzt.

Die Weinleserinnen der Spätlese

Die Spätlese ohne Frauen ist wie Glykol-Wein, nichts wert. Bei allem Respekt vor den Leistungen der männlichen Vereinsmitglieder, unsere „Ur-Winzer“ haben schon ihre Gründe gehabt, als sie Weinleserinnen in den Verein aufnahmen. Eine Lüxheimer Spätlese ohne Frauen ist heute undenkbar.

Bei den Tanzgruppen fängt es schon an. Wie oft haben die bereits erwähnten Spätlese-Girls die Farben Lüxheims würdig vertreten? Gleiches gilt für die jeweiligen Funkengarden, aus deren Reihen viele Mädchen zehn und mehr Jahre ihre Beine für den Verein geschwungen haben. Dann darf man die Betreuerinnen und Trainerinnen von Tanzmariechen und Tanzgruppen nicht vergessen, die oft neben ihren Verpflichtungen als Hausfrauen und Mütter ihre geringe Freizeit der Spätlese opferten. Besonders hervorzuheben sind die Frauen, die immer still im Hintergrund arbeiten und in der Öffentlichkeit kaum in Erscheinung treten, aber immer dann voll zupacken, wenn typisch weibliche Handarbeiten verlangt werden, z.B. Dekorationen oder Kostüme herrichten.

Stellvertretend für alle muss an dieser Stelle Marianne Krudewig genannt werden, die neben ihrer fast vierzigjährigen Tätigkeit als Schatzmeisterin den Verein von fast allen Kostümproblemen befreit hatte. Nähen oder Ändern von Kostümen der Funkengarde ließ sie sich ebenso wenig nehmen wie die Fertigung aller Kostüme des Fanfarenkorps für die Karnevalszüge. Die Vereinsfahne hat sie, unterstützt von  Mechtilde Lenzen, der Frau des damaligen Vereinsvorsitzenden und heute Ehrenvorsitzenden Heinz Lenzen, mit der gleichen Selbstverständlichkeit genäht und gestickt, wie sie alljährlich die Blumendekoration hergerichtet hat.

Zieht man die in diesem Artikel bezeichneten Verdienste von der Vereinsarbeit in ihrer Gesamtheit ab, kann sich jeder leicht ausrechnen, was von einer „Spätlese ohne Weinleserinnen“ übrig bleibt.

Dass diese bei der Spätlese immer von großer Bedeutung waren, zeigt die Tatsache, dass bereits seit den siebziger Jahren immer mindestens zwei Tanzgruppen existierten. Gleiches gilt für die Riege der Tanzmariechen, angefangen bei Katrin Imdahl, die zwölf Jahre als Solistin und noch mehr Jahre in der Garde das Tanzbein geschwungen hat, gefolgt von Yvonne Klinkhammer, die 11 Jahre beim Tanzen auf sich alleine gestellt war, und heute glückliche Mutter ist.

Den aktuellen Zustand der Tänzerinnen, sowohl was die Anzahl betrifft als auch die Gefühlslage, die Motivation und die Erlebnisse kann am besten eine der noch Aktiven schildern, Karen Felser.

Jeder Jeck weiß, dass ab dem 11.11. die schönste Zeit des Jahres beginnt. Ab diesem Datum heißt es, alle Mann ins Auto und von Dorf zu Dorf.

Am Zielort eingetroffen muss man all aktiven „Glasheber“ des Elferrates und „Beinheber“ der Tanzgarden zusammen trommeln und in Reih und Glied aufstellen. So manch einer verpasste den Auftritt und winkte uns aus dem Publikum zu.

Oben angelangt erfolgen die herzlichen Willkommensgrüße der Vereine. Diese netten Komplimente über die  Schönheit der Mädchen und das fantastische Bild, das wir auf der Bühne zeigen, gehen „runter wie Öl“, und das Lampenfieber nimmt etwas ab. Unser Präsident wird mit vielerlei Namen willkommen geheißen, ob Joachim Kunath, Knuth  oder Jochen  Kurth, sein  Geburtstag bleibt aber immer derselbe. Da unser Präsident einen Posten liebt, ist es ihm Jahr für Jahr egal, dass er an seinem Geburtstag mit uns durch die Dörfer zieht.

So auch 2004, als er in einer festlichen Runde bei Cheeseburger und Fritten auf die Bank stieg und schrie:

„Herzlich willkommen im amerikanischen Spezialitätenrestaurant. Ich freue mich sehr, euch meine Gäste nennen zu dürfen. Nun haut kräftig rein und drei mol Löxem alaaf!“

Gut gesättigt und voller Energie machten wir uns auf den Weg nach Golzheim. Leider sollte dieser Auftritt für eine von uns der letzte der Session werden. Alles lief wie immer, niemand hat mitbekommen, dass Melina mit dem Fuß umgeknickt ist. Selbst beim Abmarsch fiel keinem auf, dass etwas nicht stimmte. Da das unser letzter Auftritt des Tages war, machten wir uns auf den Weg nach Hause. Erst im Laufe der Woche beim nächsten Training haben wir erfahren, dass Melina sich den Mittelfußknochen gebrochen hatte. Dies zeigt, mit welcher Begeisterung wir unserem Hobby nachgehen.

Man wird uns Recht geben, dass es für Lüxheim beachtlich ist, drei so starke Tanzgarden, drei Mariechen und ein Tanzpaar aktiviert zu bekommen. Die große Tanzgarde wurde in der Session 1992/93 von Frau Krudewig und Astrid Hürtgen-Groß gegründet. Für die Einwohner von Lüxheim stand da schon fest, dass diese Garde Zukunft hat und viel Freude bringen wird. Es ist in der Tat erstaunlich, wie ein harter Kern seit Anbeginn der Gründung aktiv dabei ist, ein Beweis für den starken Zusammenhalt, in guten wie in schlechten Zeiten.

So hat die kleine Garde eine Session nur mit fünf Mädchen getanzt und allen gezeigt, was der Wille erreichen kann. Die kleine Tanzgarde wurde 2003/o4 von Andrea Kunth und Natalie Meuser von Erika Schlösser übernommen und jeder weiß, dass dies Trainer den Grundstein für die Zukunft der Mädchen gelegt haben.

Unser ältestes Mariechen Janine Klinkhammer ist seit 1993/94 aktiv dabei und hat das Publikum schon mit vielen schönen Tänzen begeistert. Doch leider geht die Zeit an niemandem von uns spurlos vorbei, die Ausbildungen, die Wohnortwechsel wegen Arbeitsstellen bringt das Erwachsenwerden mit sich, und daher wird die Session 2009/10 für viele von uns die letzte sein. Daher ist es schön zu sehen, wie der Nachwuchs wächst und weiterhin begeistert von der Tradition des Tanzens ist.

Melina Breuer ist schon die fünfte Session ein Mariechen der Spätlese und wird weiterhin mit fabelhaften Tänzen begeistern. Ebenso wird sie dem Tanzpaar Elena Breuer und Lara Klinkhammer helfen, das Gute zu behalten und das Beste aus ihnen herauszuholen.

Der letzte Neuzuwachs zeigt sich im Kindermariechen Saskia Kohl, die ihrem Publikum in ihrer zweiten Session viel Freude bringen wird und in Zukunft noch einige Überraschungen erahnen lässt.

Ergänzend hierzu sei noch bemerkt, dass bereits im Jubiläumsjahr 1988 ein Tanzpaar existiert hat, nämlich Astrid Hürtgen und Daniela Portz. Die achtköpfige Bambini-Gruppe wurde 2007 gegründet, die Mittlere Garde besteht aus zehn Mädchen, neun junge Damen bilden die Große Garde, während der Schautanz von zwölf Tänzerinnen dargeboten wird. Auf dieser Vielzahl holder Weiblichkeit lässt es sich gut aufbauen oder???

Rosinen aus 4×11 Jahren Weinlese

Bisher übrig geblieben sind aus der 44jährigen Weinlesetätigkeit einige Rosinen, nicht alltägliche Ereignisse, die noch erwähnenswert sind:

Am 16. Februar 1969, Karnevalssonntag, sollte in Lüxheim ein Zug gehen; meterhohe Schneemassen wollten das verhindern- aber nicht in Lüxheim. Notdürftig wurden die Straßen geräumt, Kamelle und sonstiges kleineres Wurfmaterial wurden in Tütchen verpackt, damit die Zuschauer sie besser fangen konnten, und während sogar in vielen Städten der Karnevalszug im wahrsten Sinne des Wortes in den Schnee gefallen war, konnten sich die Lüxheimer am Zug erfreuen, auch wenn Arnold Beys manchmal mit einem zweiten Traktor steckengebliebene Wagen samt Traktor wieder in Fahrt bringen musste. Viele Teilnehmer, besonders innerhalb der Fußgruppen, reden heute noch vom bisher schönsten Zug. Lag es daran, dass sie vielleicht zuviel von innen gewärmt, manchmal Schwierigkeiten mit dem

Gleichgewicht bekamen, aber immer weich landen konnten, oder hatte Gottfried Klinkhammer als „Führer“ es ihnen angetan? Oder vielleicht Hubert  Franzen als Aristoteles Onassis und Peter Imdahl als seine Braut Jackie im weißen Brautkleid? Das Brautpaar schien die Hochzeitsnacht bereits vorher verbracht zu haben, denn beide waren des öfteren wackelig auf den Beinen. Während dem Brautkleid der Schnee nichts anhaben konnte, machte er sich aber besonders gut auf dem schwarzen Untergrund des Anzuges. Adi Heimbach gab als Streuengelchen in Gummistiefeln ebenfalls keine schlechte Figur ab; genauso wenig wie Sibilla Jöntgen als Hoss Cartwright aus der Bonanza-Gruppe.

In der Sitzung 1970 fieberte die Damen-Gesangsgruppe ihrem großen Auftritt entgegen. Lag es daran, dass man sich vorher zuviel Mut angetrunken hatte oder war den Sängerinnen die Aufregung auf die Blase geschlagen? Jedenfalls verspürten plötzlich alle einen stärkeren Druck in den unteren Regionen., der den Auftritt gefährdete. Da es draußen „saukalt“ war und der Weg zu dem gewissen Örtchen für die Damen nur über den offenen Hof führte, wagte keiner, den ersten Schritt zu tun. Der Zeitpunkt des Auftrittes rückte näher, die Aufregung wurde größer, der Druck auf die Blase stieg.

Um das drohende Chaos abzuwenden, besann sich Peter Imdahl seiner Tugenden als Kavalier alter Schule und organisierte auf die Schnelle einen sogenannten „Kammerpott“. Nun konnten die Damen im warmen Zimmer ihrer Blase freien Lauf lassen, und bis alle „erleichtert“ der Bühne zustrebten, hatte Peter Imdahl „Schwerstarbeit“ zu verrichten. Zweimal musste er mit ruhiger Hand einen randvollen Pott durch die Kälte der Nacht zur Entleerung bringen. Ob seine Hand tatsächlich ruhig gewesen ist oder ob der Inhalt des Topfes durch Überlaufen seine kalten Finger erwärmt hat, darüber schweigt der Kavalier.

1970 hatte die Spätlese erstmals mit drei Auswärtsbesuchen an einem Abend zu kämpfen. Erster Auftritt in Eggersheim, dann in voller Fahrt nach Golzheim; dort angekommen stellte man fest, dass sich Plattenspieler nebst Schallplatte für den Tanz der Funkengarde noch in Eggersheim befinden mussten; also zurück nach Eggersheim, Plattenspieler geschnappt, zurück nach Golzheim, auf die Bühne, Plattenspieler geöffnet, und siehe da, es lagen zwei Platten drin- zwei Halbe! Die Golzheimer können Gott sei Dank mit einem Tonband aushelfen; kurze Hörprobe, jawohl, es ist die gleiche Musik. Die Garde tanzt, plötzlich bleibt sie stehen, weil das Band zu Ende ist. Es war also doch nicht die gleiche Musik; die Bandaufnahme war kürzer als die Aufnahme der Platte. Am späten Abend, beim dritten Auftritt in Disternich, war der ganze Ärger wieder vergessen.

Am 17. Dezember 1972 fährt die Spätlese mit Büttenrednern und Tanzgruppen zu einem Seniorennachmittag nach Frauwüllesheim. Das Programm läuft bestens, alle Aktiven kommen beim Publikum bestens an, in erster Linie natürlich Plaat un Pläätche. Peter Imdahl als Plaat hatte aber das Pech, dass er bei seinem Partner Heinz Lenzen nicht ankam. Keiner der Zuhörer, außer den Lüxheimern, hatte bemerkt, dass Peter seinen Teil der Rede, die fast jeder Lüxheimer auswendig kannte, vergessen hatte. Vermutlich hatte Peter zuviel den 4. Advent gefeiert, aber dank seines Improvisationstalentes war der Auftritt wie alle Auftritte von Plaat un Pläätche ein toller Erfolg.

Als die Spätlese-Mannschaft erfuhr, dass nach den karnevalistischen Darbietungen für die Senioren eine Weihnachtsfeier sein sollte, sorgte die Spätlese auch noch für die Überleitung, indem Siegfried Will als Nikolaus verschiedene Senioren wegen ihrer Unarten rügte.

1973 hatte man einen Bus gechartert, um in Brühl eine Sitzung zu gestalten. Die Männer, froh dass sie ihren PKW zu Hause stehen lassen konnte, tranken tlw. mit den Brühlern um die Wette deren „Nationalgetränk“, Jägermeister. Die Lüxheimer, in diesem Getränk ungeübt, zogen den Kürzeren, so dass auf der Heimfahrt im Bus Plastiktüten für den „Bröckelhusten“ sehr gefragt waren. Elferratsmitglied Kai Klinkhammer, an der Theke in Brühl der Lüxheimer mit der höchsten Standfestigkeit, hatte es besonders stark erwischt. Seine Tüte schien zu klein zu sein, so dass sein schwarzer Anzug bei der Ankunft in Lüxheim ein anderes Muster hatte als vorher.

1974 brachten die Spätlese-Girls einen Matrosentanz und mussten ihre Mitstreiterin Sofia Klinkhammer auf Paddeln tragen. Vor einem Auftritt in Bessenich hatten sie, wie es sich für echte Matrosen gehört, zuviel harte Sachen zu sich genommen- natürlich nur zur Bekämpfung des Lampenfiebers. Als dann der entscheidende Teil des Tanzes kam, klappte es mit der Handhabung der Paddel nicht mehr so richtig, und Matrose Sofia landete unsanft, jedoch mit dem Körperteil, auf dem man normalerweise sitzt, auf dem Boden. Die Landung war aber so gekonnt, dass jeder Zuschauer meinte, das sei einstudiert.

In der Prunksitzung am 19. Januar 1979, beim letzten Programmpunkt vor dem Finale, tränten dem Publikum die Augen vor lauter Lachen. Nur einem Akteur auf der Bühne tränten die Augen aus anderen Gründen- vor Schmerzen. Eine Gruppe, gemischt aus Elferrats- und Vorstandsmitgliedern, brachte einen Ausschnitt aus der damals aktuellen Fernsehserie „Heidi“. Nachdem Alm-Öhi, Großmutter, Frl. Rottenmeier, Klara und Geißenpeter nebst echter Geiß und Bernhardiner Josef (ein noch nicht ganz ausgewachsener Dackel) auf der Bühne waren, rief der Alm-Öhi seine Heidi. Mit den Worten „Großvater ich komme“ kam Peter Imdahl, als Heidi entsprechend zurecht gemacht, in den Saal gelaufen und beim Sprung auf die Bühne fiel Heidi- auf die „Schnauze“! Das Publikum brüllte vor Begeisterung. Keiner der Zuschauer wusste, dass der Fall wochenlang einstudiert worden war. Nicht einstudiert war jedoch, dass beim Fallen die Bühnenbretter so unsanft geküsst werden sollten, wie es jetzt beim Auftritt geschehen war. Da Peter schon immer hart im Nehmen war, stand er trotz starker Schmerzen den Auftritt mit Bravour durch, aber seine aufgeplatzten Lippen erinnerten ihn noch wochenlang an seine Rolle als Heidi, das gefallene Mädchen.

Auf den Tag genau ein Jahr später, in der Prunksitzung am 19. Januar 1980, war Präsident Siegfried Will sehr nervös. Man konnte es ihm nicht übel nehmen, denn statt zehn hartgesottener Männer saßen links und rechts von ihm insgesamt elf charmante Damen. Für den Zuschauer im Saal war dies ein reizender Anblick, aber für den armen Kerl in der Mitte des Elferrates ein „Spiel mit dem Feuer“.

Auf originelle Art wurde die Spätlese beim Bunten Abend am 8. November 1980 unterstützt. Zu vorgerückter Stunde schnappte sich unser Vereinsmitglied Rudolf Schmitz kurzerhand die beiden Regenschirme seiner Frau und seiner Tante Marianne Krudewig und spielte Auktionator. Der Versteigerungserlös für die beiden Schirme erbrachte 30,–DM, die anschließend in die Vereinskasse flossen.

In der Session 81/82 bewahrheitete sich das Sprichwort, dass viele Köche den Brei verderben. Ausnahmsweise hatten sich zwei Leute um die Terminabsprache mit den befreundeten Gesellschaften gekümmert, und es kam, was kommen musste. Für den 30. Januar waren insgesamt fünf Zusagen für auswärtige Auftritte gegeben worden. Nach stundenlangen Telefongesprächen mit den betroffenen Programmgestaltern schien es doch noch terminlich zu klappen.

Aber da bekanntlich zwischen Theorie und Praxis oftmals große Differenzen bestehen, ging der gesamte Zeitplan beim dritten Auftritt den Neffelbach hinunter. In Nörvenich war man länger als geplant festgehalten worden, und so mussten unsere Freunde in Golzheim- wie sagt man so schön- in die Röhre gucken. Wenn sie wenigstens in Golzheim eine (Fernseh-)Röhre gehabt hätten, dann hätten sie dem Publikum etwas bieten können, aber da diese fehlte und die Lüxheimer nicht kamen, musste die Sitzung vorzeitig beendet werden. Wie unter Karnevalisten üblich, war der Ärger schnell vergessen, und mit einem Jahr „Verspätung“ kam die Spätlese in Golzheim 1983 an.   

Seit 1969 findet in Lüxheim alljährlich eine „Miss-Wahl“ statt. Dieses hat nichts mit manipulierten politischen Wahlen zu tun, sondern es wird eine echte „Miss“ gekürt, eine Miss Möhn. Mit Sachverstand ausgestattete, nicht kostümierte Besucherinnen des „Möhneball“ bestimmen als Jury die drei originellsten Möhnen. Aus diesen dreien wird dann die Miss Möhn gewählt. Dies Art der Wahl hatte immer wunderbar geklappt, und am Ende standen immer drei weibliche Wesen auf der Bühne, die ihre Preise in Empfang nehmen konnten. 1985 waren das Gelächter beim Publikum und die Verwirrung bei den Verantwortlichen groß, als nach der Demaskierung die Miss Möhn sich als „Mister Möhnerich“ entpuppte. Erik Weber hatte alle aufs Glatteis geführt.

Unbeabsichtigt aufs Glatteis geführt wurden die aufmerksamen Leser „Deutschlands größter Tageszeitung“ durch die Ausgabe vom 16. Juli 1981. Gleichzeitig war dieser besagte Bericht ein Beweis dafür, dass die Spätlese dem Ort Lüxheim unverhoffte Berühmtheit einbrachte:

Am 21. Dezember 1980 und am 12. Juli 1981 hatte die Dürener Kreisbahn in der von der Spätlese gepachteten Halle zwei Treffen für Rollstuhlfahrer und außerordentlich Gehbehinderte organisiert. Die Spätlese stellte die Halle kostenlos zur Verfügung,

Mitglieder der Spätlese sorgten für das leibliche Wohl der Gäste, das Fanfarenkorps versetzte die Anwesenden in prächtige Stimmung. Selbstverständlich waren auch die Vertreter der Lokalpresse anwesend und berichteten anschließend in entsprechend würdigem Rahmen von der letzten Veranstaltung am 14. Juli. Zwei Tage später erschien folgender Bericht in der bereits erwähnten Zeitung:

Gute Idee

Düren – Mit drei Spezialbussen hat die Dürener

Kreisbahn alle Gäste des ständigen Behinderten-

fahrdienstes eine Freude gemacht: Kostenlos wurden

die Rollstuhlfahrer zum Weinort Lüxheim gebracht.

Dort gab es ein Riesenfest.

Vielleicht hatte der Journalist der „großen“ Zeitung beim Studieren der Berichte aus der Lokalpresse die Schlussfolgerung gezogen, dass es sich bei einem Ort, in dem es die Spätlese gibt, nur um einen Weinort handeln kann. Bis heute ist Lüxheim noch nicht soweit, aber da bei der Spätlese nichts unmöglich ist, könnte es irgendwann sein, dass echter Wein an den Ufern des Neffelbach reift.

In der Jubiläumssitzung 1988 hatte sich zu vorgerückter Stunde noch eine Gastgesellschaft angekündigt, „Les Urineurs du Neffel“, zu gut Deutsch „Die Neffelbachpisser“. Wie sich jeder bei dem Namen schon denken kann, handelte es sich bei dem Auftritt um eine Persiflage mit männlichem Tanzmariechen (Rudolf Schmitz) und einem Präsidenten (Peter Imdahl), dem der Schneider bei der Fertigung des Präsidentenanzuges ein Hosenbein nur bis zum Knie genäht hatte. Vermutlich war ihm der Stoff ausgegangen. Die Begeisterung des Publikums über diesen Auftritt war enorm.

Selbstverständlich hatte die Gastgesellschaft auch einen Prinzen in ihren Reihen, Anton Joachim. Er verkörperte den höchsten Würdenträger im Karneval so gekonnt, dass man ihm flugs einen Prinzenwagen baute und dieser als Highlight den Karnevalszug bereicherte.

Beim abendlichen Kostümball kam Tollität Anton ziemlich zerknirscht, nämlich zahnlos an, weil ihm sein Gebiss abhanden gekommen war. Während des Zuges hatte er mehrere Druckstellen verspürt, das Gebiss irgendwo auf dem Prinzenwagen deponiert und – so vermutete er – irgendwann im Eifer des Gefechts mitsamt Wurfmaterial unter die närrischen Untertanen geworfen. So seine Version.

Da die Lüxheimer schon immer ein hilfsbereites Völkchen waren, forderte der damalige Präsident das im Saal anwesende Publikum auf, bei Auffinden eines Gebisses sofort Prinz Anton zu kontaktieren.

Tags darauf beim Rosenmontagsball kam die Tollität strahlend mit Zähnen bewaffnet und erklärte, sein Esszimmer sei nicht unter das Volk geraten, sein verspielter Hund habe es lediglich unter einem Sofakissen versteckt. Es wurde ein äußerst schöner Rosenmontagsball, und Prinz Anton konnte wieder herzhaft in seine Currywurst beißen.

Nach Karneval 1992 wurde uns das bisherige Quartier zum Sommer 1993 gekündigt. Daraufhin gründete sich aus allen Dorfvereinen ein Bürgerverein zum Bau einer neuen Halle. In diesem Moment konnte man sehen, dass unser Dorfleben noch sehr in Takt ist. Mit gemeinsamen Anstrengungen war innerhalb kürzester Zeit die neue Bürgerhalle errichtet. Bereits 1994 konnte so übergangslos im halbfertigen Bau Karneval gefeiert werden.

Wenige Tage nach der Prunksitzung konnte man in der örtlichen Presse folgendes lesen:

„Was kaum einer im Dorf für möglich gehalten hat, das ist erreicht worden. Am Bau des Dorfgemeinschaftshauses ist in den zurückliegenden fünf Monaten von freiwilligen Helfern in 5000 ehrenamtlich abgeleisteten Stunden so zügig gearbeitet worden, dass darin am Freitag schon die Prunksitzung der Karnevalsgesellschaft gefeiert werden konnte. Herzlich gelacht wurde, als der Elferrat unter Vorantritt des vereinseigenen Fanfarenkorps in blauen Arbeitsanzügen und mit gelben Schutzhelmen als Kopfbedeckung auf die Bühne marschierte.

Nicht ohne Grund hatte der Elferrat diese Bekleidung gewählt, muss doch bis zur endgültigen Fertigstellung des Hauses auch in den nächsten Monaten noch fleißig gearbeitet werden. Bis zur Einweihung im August wird sich die Zahl der freiwillig abgeleisteten Arbeitsstunden gewiss auf 10 000 erhöht haben. Lob verdienen vor allem die Lüxheimer Rentner, die Tag für Tag auf der Baustelle anzutreffen sind und sich sogar darüber freuen, am Bau des Dorfgemeinschaftshauses mithelfen zu können. Für die Baumaterialien sind bisher schon rund 130 000 Mark ausgegeben worden. Diese Summe setzt sich aus einem zinslosen Kredit in Höhe von 70 000 Mark, aus Mitgliedsbeiträgen und Spenden zusammen. Die Bürgerinitiative, die sich das Bauvorhaben zum Ziel gesetzt hat, ist überzeugt davon, dass auch die restlichen Arbeiten noch termingerecht durchgezogen werden können, damit im August der Neubau eingeweiht werden kann.

Bürgermeister Hans Maus, Ortsvorsteher Volker Franzen und Gemeindedirektor Josef Kranz, die Gäste der närrischen Sitzung waren, sparten nicht mit Lob für die fleißigen Bauhandwerker und staunten über das, was bisher geschaffen worden ist. Den Sitzungsbesuchern wurde ein gutes Programm geboten. Angesagt wurde es von Peter Imdahl, der Helmut Klinkhammer vertrat, der wegen eines Trauerfalles in der Familie auf die Mitwirkung verzichten musste. Das Fanfarenkorps machte den Anfang im mehrstündigem Programm, in dem hauptsächlich eigene Kräfte auftraten. Musik, Gesang, Gardetanz und Humor in der Bütt wechselten sich ab. Viel Beifall erhielten das Tanzmariechen Yvonne Klinkhammer und die „Löxeme Tanzjonge“, ein Männerballett. Abordnungen befreundeter Gesellschaften waren nach Lüxheim gekommen, um mitzufeiern. Dazu zählte auch die Kelzer Gesangsgruppe „Alt-Fidele“. “    

Heute ist die Halle aus dem dörflichen Leben nicht mehr wegzudenken. Neben den Karnevalsveranstaltungen findet das alljährliche Schützenfest regen Anklang, die Kelzer Kultur- und Naturfreunde bringen in der Halle durch ihre Theateraufführungen das Publikum ebenfalls zum Lachen. In den Räumlichkeiten werden ebenso zahlreiche Familienfeste abgehalten wie die einzelnen Versammlungen der Ortsvereine und Nikolaus- und Seniorenfeiern.

Seit einigen Jahren gibt es jeweils im September eine besondere Veranstaltung, über die unser Vorstandsmitglied Frank Hammant wie folgt zu berichten weiß:

Lutter op Tour

Seit nunmehr vier Jahren ist der Veranstaltungsservice „Lutter op Tour“ aus Köln zu Gast bei uns in der Bürgerhalle. Auswärtige Gesellschaften und natürlich auch die eigene Spätlese haben dort die Möglichkeit, eine Karnevalssitzung ganz ungebunden und ohne Zwang mitzuerleben. Selbstverständlich ist der Eintritt frei und die Veranstaltung wird nach anfänglichem Zögern auch von der Dorfgemeinschaft sehr gut angenommen.

Auf dieser Sitzung stellen sehr bekannte, aber auch noch junge, talentierte Kölner Kräfte ihr Programm für die neue Session vor; deshalb ist es auch für die Beteiligten enorm wichtig zu wissen, wie ihre Einlagen bei fremden Publikum ankommen und welche Parodie oder Rede sie noch ändern müssen. Eine solche Veranstaltung ist bei den Künstlern sehr beliebt, da es diese Möglichkeit vor fremdem Publikum im Kölner Raum nur dreimal gibt. Die Lüxheimer Spätlese ist ein wenig stolz darauf,, von der Veranstaltungsagentur ausgewählt zu werden. Die Bürgerhalle ist ein optimaler Ort und das närrische Lüxheimer Publikum bis weit hinter Köln bekannt. An den Nummernschildern der im Dorf parkenden Fahrzeuge und aus Gesprächen stellt sich Jahr für Jahr heraus, dass sich dieser Termin bei vielen Vereinen herumspricht und einen festen Platz in den Terminkalendern der Verantwortlichen beansprucht. Manche nehmen sogar eine zweistündige Autofahrt in Anspruch, um an diesem Abend Gast in Lüxheim zu sein.. Ob aus Alzey, Bergisch Gladbach oder um die Ecke aus Kelz oder Disternich. Hier entstehen tatsächlich kleine Freundschaften, und wir sind froh, wieder alte Gesichter zu sehen und neue kennen zu lernen.

Für die kleine Lüxheimer Gesellschaft ist dies ein echter Glücksfall, denn hier werden Beziehungen geknüpft, die es ein wenig einfacher machen, eine starke eigene Sitzung zu präsentieren und zu halbwegs zivilen Preisen anzubieten.

Wer dieser Veranstaltung bisher noch nicht beigewohnt hat, den laden wir selbstverständlich für das nächste Jahr herzlich ein, um Künstler wie Bauchredner Peter Kercher mit Dolly, den Feuerwehrmann Kresse oder Moped Manni zu sehen, allesamt bekannte Karnevalisten, die live noch besser zur Geltung kommen als im Fernsehen.

Die KG Lüxheimer Spätlese freut sich über jeden einzelnen Künstler und hofft auch im nächsten Jahr wieder auf ein volles Haus bei natürlich freiem Eintritt, leckerem Kölsch, frischen Schnitzeln und deftigen „Bremsklötz“.

Man kann also mit Fug und Recht behaupten, dass im Laufe des Jahres in der Halle „immer etwas los ist“. Auf der Halle, genauer gesagt, auf dem Dach der Halle, war am 16. August 2009 auch etwas los. Dort war jedoch Standfestigkeit gefragt. Bei den Fotoaufnahmen für die Festschrift kam Präsident Joachim Kunth die Idee, aus dem Wappen der Spätlese das „S“ aus den Aktiven zu formen. Wie kann man eine vernünftige Aufnahme aus dieser Personenkonstellation zaubern? Nur aus der Höhe!

Da kein Hubschrauber zur Verfügung stand, musste Fotografin Sandra Smerda mit Hilfe einer langen ausziehbaren Leiter der Spätlese “ aufs Dach steigen“. Aus Sympathie kletterte Tanja Simon mit nach oben, um einige Aufnahmen für das Familienalbum zu schießen. Aus luftiger Höhe wurden dann hervorragende Schnappschüsse gefertigt.

Vorstandsmitglied Frank Hammant schlug dann vor, aus dem gleichen Personenkreis „4 x 11“ zu bilden. Gesagt, getan, doch hätten es ein paar Personen mehr sein dürfen. Also sollte mangels Masse das „Malzeichen“ durch eine Person dargestellt werden, aber wie???

Seniorenmariechen Janine Klinkhammer musste sich rücklings in das Gras legen, die Arme und Beine spreizen und somit das „X“ bilden. Bis die Aufnahme im Kasten war, dauerte es einige Zeit, weil noch Umpositionierungen vorgenommen werden mussten. Dabei merkte Janine dann, dass sie mitten auf einem Ameisenhaufen lag. Doch eisern hielt sie dem Angriff der Fleißigen Tierchen stand.

Fazit: Wer sich mit der Spätlese einlässt, muss auf alles gefasst sein, manchmal hoch hinaus müssen und auch leiden können, nämlich ohne Gegenwehr sich von Insekten bekrabbeln lassen als Training für das „Dschungel-Camp“.

Wermutstropfen im Freudenbecher

Alljährlich im Herbst freuen sich die Karnevalisten auf den Beginn der fünften Jahreszeit am 11.11. Doch im Herbst 2008 wollte keine richtige Freude aufkommen.

Am 3.11. verstarb plötzlich und unerwartet im Alter von 80 Jahren Ehrenmitglied Marianne Krudewig. Marianne gehörte zu den drei Frauen „der ersten Stunde“ und konnte auf eine 42-jährige Vereinszugehörigkeit zurückblicken. Für sie galt die Devise: „Die Spätlese ist mein Leben!“ Als Außenstehender hatte man manchmal den Eindruck, dass bei Marianne der Karneval oberste Priorität hatte, danach kam erst die Familie.

39 Jahre hat sie vorbildlich die Kassengeschäfte geführt; kein Beamter hätte es penibler machen können. Wenn ihr Mann Christian, der reichlich mit Thekendienst „eingedeckt“ wurde, Richtung Halle marschieren wollte, musste er seiner Frau erst den Erhalt des Wechselgeldes quittieren, bevor er das Haus verlassen durfte. Ob als damaliges  Mitglied und „Anführerin“ der Spätlese Girls, als Schneiderin der Kostüme für Tanzgarden und Fanfarenkorps, als Trainerin der Tanzgarde, als Zugteilnehmerin (bis im Alter von 78 Jahren) und Helferin beim Wagenbau, in jeder „Disziplin“ war sie stets mit Begeisterung und vollem Einsatz bei der Sache, auch dann, als sie unter ihren Mitstreiterinnen bei  den Spätlese-Girls  im wahrsten Sinne des Wortes „gelitten“ hatte. Die Gruppe hatte im Karnevalszug einen Feuerwehrwagen, Marianne war der Einsatzleiter. Vermutlich hatten ihre Leute, wie es sich für  Einsatzkräfte gehört, zu anständig gelöscht -leider jedoch nur den eigenen Durst- so dass gegen Zugende Marianne unter ihre Mitstreiterinnen geriet, so dass beim Feuerwehrhauptmann drei Rippen zu Bruch gingen. Ungeachtet dessen versah sie am gleichen Abend ihren obligatorischen Kassendienst.

Neben ihrem beschriebenen Einsatz erhielt der Verein  von ihr manche  finanziellen Zuwendungen, wenn sie z.B. den Blumenschmuck für die Sitzung und verschiedenes Material aus eigener Tasche bezahlte.

Marianne hinterlässt eine Lücke, die unmöglich von einer Person alleine geschlossen werden kann.

Keine sechs Wochen nach Mariannes Tod überrascht uns die Nachricht, dass unsere verehrte Frau Maria Krämer, ebenfalls Ehrenmitglied der Spätlese, am 12.12. im Alter von 85 Jahren verstorben ist. Ihre besonderen Verdienste um die KG sind bereits im Abschnitt „Die Ableger der Stöcke“ dargelegt worden. Von Natur aus keine echte Karnevalistin, aber dafür legte sie umso mehr einen außergewöhnlichen sozialen und christlichen Lebenswandel an den Tag. Frau Krämer bewies, dass  Karneval und Kirche keine gegensätzlichen Individuen sind. Durch den engen Kontakt mit der eingangs erwähnten Lehrergattin Inge Rathke in der sogenannten „Schönstatt-Gruppe“ kamen beide auf die Idee, den kleineren Mädchen des Dorfes Handarbeiten und nebenbei die christlichen Lehren zu vermitteln. Später wurden die  so genannten „Gruppenstunden“ erweitert, indem auch Jungen Zutritt erhielten. Frau Rathke zog nach Aachen und Frau Krämer regelte alles alleine. Die Handarbeitsangebote rückten durch die männlichen Teilnehmer in den Hintergrund, stattdessen wurde mehr gespielt. Als dann die Spätlese 1971 erstmals ihre  Veranstaltungen nach Lüxheim in  das Festzelt verlegte, „probte“ Frau Krämer mit den Kindern an Karnevalsdienstag quasi eine Sitzung mit den Kindern „unter Ausschluss der Öffentlichkeit“ in dem besagten Zelt. Drei Jahre später wurde dann die erste „offizielle“ Kindersitzung präsentiert. Das Ergebnis ist bekannt.

Durch ihren jahrelangen  vorbildlichen Umgang mit den Kindern und ihre ruhige  Art hat  sie quasi die Jugend mit ihren Spielen behutsam an den Karneval herangeführt. In der heutigen hektischen Zeit gibt es keinen, der soviel Zeit für die Jugend aufbringen kann, so dass auch für Frau Krämer so schnell keine gleichwertige Nachfolgerin gefunden werden dürfte.

Den dritten herben Verlust musste die Spätlese am 16.09.2009 hinnehmen, als Mitgründer und Ehrenmitglied Gottfried Klinkhammer nach langem und mit großer Geduld ertragenem Leiden im Alter von 78 Jahren verstarb. Gottfried war ein „Urgestein“ im gesamten Lüxheimer Vereinsleben. Als junger Bursche war er als „Reymeister“ für die Organisation der Lüxheimer Kirmes verantwortlich, später – nach Neugründung des Sportvereins – spielte er zunächst noch in der 2. Mannschaft, anschließend als Mitglied des Spielerausschusses übernahm er Mitverantwortung für die wöchentliche Aufstellung der 1. Mannschaft. 1962 übertrug ihm sein erkrankter Schwiegervater Theo Empt das Amt des Fahnenträgers der St. Nikolausbruderschaft, das er mehrere Jahrzehnte ausübte, in den ersten Jahren als „junger Schnösel“ zwischen den rd. 30 Jahre älteren altgedienten Offizieren August Franzen und Josef Pieck, später zwischen Bruder Kai und Vetter Karl-Heinz Klinkhammer, die beide gemeinsam mit ihm und den anderen bekannten Mitstreitern 1966 die Spätlese gründeten. Dort war fortan sein „Hauptbetätigungsfeld“. Als Büttenredner und Mitglied der Gesangsgruppe „Die Pökels“, später bekannt als „Die Lüxheimer Hofsänger“, sorgte er immer für eine gute Stimmung in den Sitzungen. Als in den achtziger Jahren der Funkengarde die Ausbilderin fehlte, sprang „Joddie“, wie er liebevoll von den Mädchen genannt wurde, selbstverständlich als Trainer ein.

38 Jahre war er im Vorstand als Zugleiter verantwortlich, sorgte natürlich auch dafür, dass alljährlich genügend „Kamellejeld“ für den Zug zusammenkam. Als zu Beginn der neunziger Jahre der Bau der Bürgerhalle anstand und der Bürgerverein gegründet wurde, war Gottfried wieder in vorderster Front zu finden, sowohl bei den Arbeiten als auch im Vorstand, als er die Funktion des „Geldeintreibers“ für die Halle übernahm, Mitgliederbeiträge kassieren und Spenden sammeln. Wenn er im Januar oder Februar unterwegs war, musste man ihn stets fragen, in welcher Funktion, „für de Zoch oder für de Hall?“.

Einen „Jeck“ -wohlgemerkt im positiven Sinne- wie Gottfried dürfte wird man  in der heutigen Zeit nicht mehr finden.

Die wilden Triebe

Dass in Lüxheim vieles anders ist als in anderen Orten gleicher Größenordnung, ist seit je her bekannt. Man erzählt auch nichts Neues, wenn man feststellt, dass die Einwohner des damals 320-Seelen-Ortes im Neffeltal immer dann zu „großer Form auflaufen“, wenn es um das Vereinsleben geht, das den Ort nach außen hin repräsentiert.

Schützenbruderschaft, Sportverein, Freiwillige Feuerwehr, Kirmesgesellschaft – diese vier Vereinigungen sorgten bis in die sechziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts dafür, dass in Lüxheim „immer etwas los war“, außer im Winter, dann war überall im Dorf „tote Hose“. Während in größeren Orten Karnevalsvereine für Stimmung  „in der fünften Jahreszeit“ sorgten, ließ man in Lüxheim die tollen Tage mehr oder weniger geruhsam an sich vorüberziehen. Woher sollte man auch die Leute nehmen, die Karnevalsveranstaltungen organisierten? Dafür war die Einwohnerzahl zu klein, zumal zusätzlich zu den vorgenannten Vereinen noch Kirchenchor, Kirchenvorstand, Gemeinderat, politische Parteien und sonstige Institutionen weitere Idealisten „verschlissen“. Da ließ man lieber das Karnevalstreiben auf sich zukommen: die Kinder gingen „rommele“, die Erwachsenen tranken ein paar Bier mehr, einige zogen kostümiert abends zu den Geschäftsleuten und Landwirten des Ortes oder besuchten Kostümbälle in der näheren Umgebung. Mit den Fernsehübertragungen der Rosenmontagszüge aus den Karnevalshochburgen klang für viel schon der Karneval aus.

Jetzt wären wir wieder bei der Einleitung angelangt, nämlich, dass in Lüxheim vieles anders ist als anderswo. Den Erwachsenen schien das Karnevalfeiern in der bisherigen Form zu genügen, nicht aber den Kindern. Diese waren es dann auch, die durch ihr gelungenes Experiment die Älteren ermutigten, das gleiche zu tun und dadurch „Schuld daran waren“, dass zukünftig Karneval  in Lüxheim einen höheren Stellenwert erhielt.

In den ersten Februartagen des Jahres 1966 kam ein Gruppe Kinder zu dem Landwirt Karl-Theo Hülden. Als Fürsprecherin hatten sie die Ehefrau des damaligen Dorflehrers Rathke mitgebracht. Karl-Theo, ansonsten sehr redegewandt, verschlug es fast die Sprache, als er den Wunsch der Kinder vernahm. Diese baten ihn, ihnen für Weiberfastnacht einen Anhänger zur Verfügung zu stellen, den sie schmücken und mit dem sie anschließend durch das Dorf ziehen wollten. Zur Fortbewegung des Wagens bedürfe es natürlich eines Traktors, und wenn Herr Hülden die Freundlichkeit besäße, seinen großen neuen Traktor ebenfalls zur Verfügung zu stellen, dürfe er diesen selbstverständlich selbst fahren.

Überrumpelt von soviel Dreistigkeit und Selbstbewusstsein sagte Karl-Theo schließlich zu, und die Kinder machten sich sofort ans Werk. Alte Dachlatten wurden zusammengenagelt, ein Gestell auf dem Wagen errichtet, mit Papier bespannt, bunt angemalt, mit Luftschlangen und Girlanden geschmückt, und fertig war der Karnevalswagen. Weiberfastnacht, am 17. Februar 1966 war es dann soweit.

Gegen 15.00 Uhr wurde der Traktor vor den Wagen gespannt, und unter großem Hupkonzert ging es durch das Dorf. Wie vor Hunderten von Jahren der Rattenfänger von Hameln zog dieser Wagen alle Kinder magnetisch an, und die Lüxheimer Dorfbewohner wurden Zeuge eines bisher nie da gewesenen Ereignisses: Ein richtiger Karnevalswagen mit Traktor zog durch das Dorf!

Einige Zuschauer am Straßenrand belächelten zunächst das Schauspiel, vielleicht, weil es „nur“ von Kindern inszeniert worden war. Als jedoch drei Tage später, an Karnevalssonntag, das gleiche „Spektakel“, etwas verfeinert von einer Handvoll Erwachsener, wiederholt wurde, fand man die Idee mit dem Karnevalswagen gut.

Angesichts des großen Zuspruchs, den dieser „Zug“ – übrigens ohne polizeiliche Genehmigung und Versicherungsschutz – bei der Dorfbevölkerung fand, machten sich einige „karnevalistisch angehauchte“ Leute ihre eigenen Gedanken: Es musste eine grundlegende Änderung in Bezug auf Karneval geschaffen werden. Das bisher „planlose wilde Treiben“, in dem jeder auf seine eigene Art versuchte, das Beste dem Karnevalsbrauchtum abzugewinnen, musste in geordnete Bahnen gelenkt werden, und Alle musste man „unter einen Hut kriegen“ Dass die Bevölkerung für eine solche Sache aufgeschlossen war, hatte sich am Experiment der Kinder gezeigt. Die Idee zur Gründung eines Karnevalsvereins war geboren..

Das Pflanzen des edlen Weinstocks

Am 12. März 1966 war es soweit. An dem Samstagabend saßen in der Gastwirtschaft Müller folgende sieben Männer an einem Tisch:

Peter Imdahl, Gottfried Klinkhammer,

Karl (Kai) Klinkhammer, Karl Heinz Klinkhammer, Heinz Lenzen

Heinz Pawlowsky, Horst Dieter Walter

Die Vorgenannten diskutierten lange über das waghalsige Unternehmen, noch einen weiteren Verein in dem 300-Seelen-Ort zu gründen. Zu dem Problem der zu werbenden Mitglieder kam noch das Fehlen der Aktiven in Gestalt von Büttenrednern, Sängern, Tänzerinnen und sonstigen Personen, die zur Gestaltung einer Karnevalssitzung notwendig sind. Doch unsere „sieben Aufrechten“ ließen sich nicht beirren und beschlossen, eine Karnevalsgesellschaft zu gründen. Lag es an dem allgemeinen Optimismus, an dem Vertrauen auf die Dorfbevölkerung oder an der Hoffnung, dass mit den beiden Büttenassen Peter Imdahl und Heinz Lenzen, beide bereits über die Grenzen des Kreisgebietes hinaus als „Plaat un Pläätche“ bekannt, nichts schief gehen könne; keiner der damals Beteiligten kann heute definitiv sagen, welche Beweggründe sie zu dem Entschluss geführt hatten.

Kaum war das Thema Vereinsgründung vom Tisch, tauchte das nächste Problem auf. Wie sollte der neue Verein heißen? Löstige und Fidele Jonge, solche Vereinsnamen gab es schon reichlich im Umkreis; für Lüxheim musste es etwas besonderes sein. Hier konnte die Wirtin Agnes Müller hilfreich einspringen. Ihr Vorschlag „Karnevalsgesellschaft Lüxheimer Spätlese 1966“ wurde einstimmig akzeptiert.

Das Wachsen der Triebe

Das Pflänzchen Spätlese war gesetzt; jetzt hieß es nur noch auf ein gutes Gedeihen hoffen. Gleich am Gründungsabend meldeten sich vier weitere Lüxheimer in dem neuen Verein an: Arnold Beys, Ludwig Müller, Hans Willi Pieck und Hans Weber. Einschließlich der Gründer hatte man jetzt einen „Elferrat“ zusammen, mit dem man schon etwas anfangen konnte. Peter Imdahl, Gottfried Klinkhammer, Heinz Lenzen und Hans Willi Pieck waren Büttenredner, Hans Weber Organisator der Gesangsgruppe „Die Pökels“, Arnold Beys stellte den Platz und Fahrzeuge für den Wagenbau zur Verfügung, Ludwig Müller stand, unterstützt von seiner Frau Agnes, als Vereinswirt mit Rat und Tat zur Seite, Kai und Karl Heinz Klinkhammer sowie Heinz Pawlowsky und Horst Dieter Walter konnten beim Wagenbau und bei den sonstigen anfallenden Arbeiten kräftig zupacken.

Als bis Ende des Monats März, wenige Tage vor Ostern, zu einem Zeitpunkt, da kein „normal denkender Lüxheimer“ an Karneval im nächsten Jahr dachte, sich weiter sechs Neulinge der Spätlese angeschlossen hatten, konnte man sicher sein, dass die Gründer mit ihrer Idee ins Schwarze getroffen hatten.

Ein halbes Jahr später, Ende September 1966, hatte die Spätlese 21 Mitglieder. Hierunter befanden sich mit Tilly Kopp, Marianne Krudewig und Agnes Müller drei Frauen, die für ihre Geschlechtsgenossinnen quasi den Weg zur Aufnahme in die Spätlese bahnten. Wie wichtig die Frauen speziell für die Spätlese geworden sind, wird an anderer Stelle noch deutlich werden.

Fünf Jahre nach der Gründung zählte die Spätlese 57 Mitglieder, hiervon 21 weiblichen Geschlechts. Nach dem elfjährigen Bestehen im Jahre 1977 wurde mit 101 Mitgliedern (39 weiblich) die Schallgrenze von 100 erstmals überschritten. Fast ein Drittel der Dorfbevölkerung war also in der Spätlese.

Vor Beginn der Jubiläumssession 1988 sah die Bilanz noch erfreulicher aus: 135 Erwachsene, hiervon 63 Frauen waren listenmäßig als Mitglieder der Spätlese registriert; hinzu kamen noch 35 Kinder und Jugendliche, die für die Spätlese aktiv waren. Dies bedeutet, dass 170 Personen für die Karnevalsgesellschaft in irgendeiner Form tätig waren, mehr als die Hälfte der Dorfbevölkerung. Man konnte also mit Recht behaupten, dass offiziell „jeder zweite Lüxheimer jeck war“.

Die Traubenreife

Wie heißt es in einem alten Karnevalsschlager so schön? “ Der Wein muss alt und jung das Mädel sein!“ Diese Weisheit trifft zumindest in ihrem ersten Teil auch auf die Spätlese zu; je älter sie wird, desto besser!

„Ganz klein wurde angefangen“ mit einem „Lustigen Abend“ in der Gastwirtschaft Müller. Damals gelang es noch, zwei Büttenredner für insgesamt 30,–Mark (in Worten: dreißig) zu verpflichten, die Musikkapelle erhielt 70,– Mark für den Abend. Alte Karnevalisten werden zu Recht feststellen: „Was waren das für herrliche Zeiten!“

Die erste „größere“ Ausgabe wurde am 4. November 1967 getätigt: 240,– Mark für die Kostüme der ersten Tanzgarde. Am 17. Februar 1968 konnte man stolz die erste Sitzung der Spätlese präsentieren, aber – getreu dem Motto „In Lüxheim ist vieles anders“ – nicht in Lüxheim, sondern in Eggersheim, im Saal Reimer. 221 Eintrittskarten wurden verkauft; ferner konnte eine „Stiftung“ von 20,– Mark vereinnahmt werden. Da die Musikkapelle für die Sitzung mit anschließendem Tanz lediglich 156,– Mark erhielt, und die GEMA damals noch nicht die Preise von heute kannte, wurde die Sitzung fast zu einem „Geschäft“ für die Spätlese. Sogar Orden wurden verteilt, gusseiserne kleine Wandbilder, hergestellt von Peter Imdahl, selbstverständlich kostenlos.

Im Programm waren neben den Lüxheimer Rednern, der Lüxheimer Funkengarde, bestehend aus dem  Geschwisterpaar Josef  und Käthe Kerin, Maria Hövel sowie Brigitte Schroeder, fast alle Aktiven der Karnevalsgesellschaft Lengeschdörpe Klompe vertreten. deren damaliger Vorsitzender Willi Kuck, später Präsident und heute Ehrenpräsident des Regionalverbandes Düren, führte als Sitzungspräsident durch das Programm.

Selbstverständlich waren die Auftritte der Lendersdorfer Freunde ebenfalls kostenlos. wie viele weitere Darbietungen in den folgenden Jahren.

Mit Recht kann man den Lendersdorfern bescheinigen, dass sie durch ihre Unterstützung einen großen Teil zum „Reifen der Spätlese beigetragen haben. Hierzu möchten wir an dieser Stelle den Lendersdorfer Karnevalisten unseren allerherzlichsten Dank ausdrücken. Gleichzeitig können wir aber nicht ganz ohne Stolz behaupten, dass wir die Starthilfe, die uns von den Lengeschdörpe Klompe gegeben worden ist, in späteren Jahren an andere junge Karnevalsgesellschaften unsererseits weitergeben konnten.

Die nächsten beiden Sitzungen der Spätlese, am 2. Februar 1969 und am 24. Januar 1970. fanden noch in Eggersheim statt. Dennoch stieg von Jahr zu Jahr die Anzahl der Lüxheimer Aktiven im Programm. Zusätzlich zu den Lüxheimer Akteuren aus der ersten Sitzung traten 1969 erstmals zwei Gesangsgruppen aus Lüxheim auf, „die Pökels“ (später als Lüxheimer Hofsänger), eine Männergruppe, und die „Rot-weißen Bomber“, eine Frauengruppe, die1970 die „Großen Acht von Radio Luxemburg“, eine Schlagerparade, präsentierte.

Erstmals brauchte 1970 die Spätlese den Sitzungspräsidenten nicht mehr „auszuleihen“, weil Siegfried Will, ein „Schnösel“ von 23 Jahren, von den Mitgliedern ausgeguckt worden war, das Amt des „Orden- und Bützchenverteilers“ zu übernehmen. Dass diese Aufgabe noch Jüngere übernehmen können, wird an anderer  Stelle noch erläutert werden. In der besagten Sitzung von 1970 gab neben dem Präsidenten noch eine Tanzgruppe ihr Debüt, nämlich unsere allseits geliebten „Spätlese-Girls“. Die Damen befanden sich alle in dem für Tänzerinnen doch etwas  fortgeschrittenem Alter zwischen 30 und 40 Jahren, doch dies hinderte sie nicht daran, die Vereinsfarben bei fremden Sitzungen würdig und mit großem Publikumserfolg zu vertreten.

Die nächsten vier Jahre waren für die Karnevalisten von besonderer Bedeutung: 1971, und zwar am 13. Februar, fand die erste Sitzung in Lüxheim statt, in einem geliehenen Zelt auf dem Schulhof. Vielen Mitgliedern schien das Risiko wegen der zu erwartenden Unkosten zu hoch und drohten mit Vereinsaustritt, doch der Mut des damaligen Vorstandes wurde belohnt. Das ganze Dorf machte mit bei dem „Jahrhundertereignis“, und nach Karneval waren die Kritiker stumm. In dieser Session begann die Spätlese ihre Aktivitäten auch bei anderen Gesellschaften zu demonstrieren, so dass im Rahmen des Austausches erstmals bei der Lüxheimer Sitzung Karnevalisten aus Golzheim, Jakobwüllesheim und Nörvenich begrüßt werden konnten.

Am 5. Februar 1972 wurde ein weiterer Meilenstein in der Vereinsgeschichte gesetzt. Nach einigen tausend Arbeitsstunden von Vereinsmitgliedern und freiwilligen Helfern war es gelungen, die damalige Maschinenhalle von Ernst Will in die sogenannte „Festhalle“ umzufunktionieren und vor ausverkauftem Saal eine prächtige Sitzung zu präsentieren, die zur Folge hatte, dass die Mitgliederzahl um 30 % stieg.

Die Session 193 brachte eine weiter Neuerung im Veranstaltungskalender der Spätlese: Am 26. Januar wurde die erste Fremdensitzung veranstaltet, der am 24. Februar die Prunksitzung folgte. Dies bedeutete, dass von dieser Session an im Abstand von vier Wochen zwei Sitzungen dem närrischen Publikum dargeboten wurden. Für die Fremdensitzungen wurden zunächst Profis aus dem Dürener Raum, später aus Aachen, Bergheim, Bonn, Euskirchen und Köln verpflichtet, Namen, die tlw. aus Funk und Fernsehen bekannt waren. Da die Spätlese später nicht mehr bereit war, die Preistreiberei hinsichtlich der Honorarforderungen der Profis mitzumachen und um eigenen Nachwuchsleuten eine Chance zu geben, wurde 1980 die letzte Fremdensitzung veranstaltet.

Dies hatte zur Folge, dass immer mehr Lüxheimer Kräfte das Programm gestalteten, so dass in der Jubiläumssession 1988 ein vierstündiges Programm mit eigenen Kräften geboten werden konnte.

Leider sind die Jahre auch an den damaligen Aktiven der Spätlese nicht spurlos vorüber gegangen, so dass einige – insbesondere die Redner – zwischenzeitlich u.a. aus Altersgründen der Bühne bzw. der Bütt „Adieu“ gesagt haben. Doch „sprachlos“ ist die Spätlese trotzdem nicht ganz, denn 1992 kamen die beiden Nachbarinnen Anni Kunth und Anni Vogel auf die Idee, es mit einem Zwiegespräch in der Bütt zu versuchen und beleben seitdem die jährlichen Sitzungen.

Die Ableger der Stöcke

Wie lautete die Einleitung dieser Festschrift? „In Lüxheim ist vieles anders!“

Dies gilt auch für den karnevalistischen Nachwuchs. Fast alle Karnevalsgesellschaften, die eine Kindersitzung veranstalten möchten, haben in irgendeiner Form Probleme. Entweder sind nicht genügend Aktive vorhanden, um eine Sitzung gestalten zu können, so dass man im Austauschverfahren bei anderen Gesellschaften Kräfte ausleihen muss, oder es fehlen die Ausbilder für die jungen Büttenredner, Gesangs- und Tanzgruppen. Hinzu kommt das finanzielle Problem für die Kostüme der Kleinen.

Solche Schwierigkeiten gab es bei der Spätlese fast drei Jahrzehnte nicht. Als Karnevalsdienstag 1974 die erste Kindersitzung „gelaufen war“, Hörte man aus Zuschauerkreisen nur: „War das schön!“

Was war geschehen? Unsere allseits verehrte Maria Krämer, zwischenzeitlich mehrfache Großmutter, hatte den Vorstand lediglich gebeten, die Halle für eine „Sitzung der Kinder“ nutzen zu dürfen, alles andere regele sie. Das Resultat war, dass auch solche Personen zu Stammgästen der Kindersitzung geworden sind, die man ansonsten mit Karneval nicht „hinterm Ofen“ hervorlocken konnte. Frau Krämer verstand es einzigartig, die Kinder – wie es eben  dem Naturell der Kinder entspricht – spielerisch an den Karneval heranzuführen, und nicht, wie es leider in vielen Kindersitzungen geschieht, als „Miniausgabe“ der Erwachsenen in professioneller Form. Ob Büttenreden, Tanz- oder Gesangsdarbietungen, alles wurde in einer solchen Art dargeboten, dass die „kleinen Besucher“ im Saal immer in Versuchung gerieten, auf die Bühne zu klettern, um dort mitzumachen. Hier kann man noch vom echten „Karneval der Kinder“ reden. Dass alle Darbietungen von Frau Krämer einstudiert wurden, versteht sich von selbst, und dank ihres Einfallsreichtums und Fleißes brauchte die Vereinskasse über den langen Zeitraum auch nicht mit Unkosten für Kostüme der Kleinen belastet werden. Das Problem der Orden wurde alljährlich von Rita Schneider in Zusammenarbeit mit ihren Töchtern Margit und Gudrun gelöst, indem diese die Kinderorden von Hand herstellten und somit die Vereinskasse ebenfalls verschonten. Die Dritte im Bunde, die mit starkem Engagement für die Kindersitzungen verantwortlich zeichnete, war Sibilla Jöntgen.

Doch leider wurde auch Frau Krämer älter und übergab ihren doch „stressigen Job“ mit den Kindern zunächst an ihre Tochter Anni Kunth. Anni operierte dann für einige Jahre nach dem Strickmuster ihrer Muster, doch von Jahr zu Jahr wurden im Austausch mit anderen Gesellschaften immer mehr auswärtige Nachwuchs-karnevalisten in das Programm eingebaut. Heute ist es so, dass am Tage der Kindersitzung die Nikolausstraße in Lüxheim fast komplett zu geparkt ist, da zahlreiche Gastgesellschaften gerne zur Spätlese kommen und froh sind, dass ihr Nachwuchs auf der Lüxheimer Bühne auftreten kann. Andererseits sind dadurch unsere Kinder alljährlich mit reichlich auswärtigen Auftritten „zugedeckt“. Verantwortlich für die Kindersitzungen sind mittlerweile die beiden Jugendvorsitzenden Karina Krämer und Karen Felser, unterstützt von der Schatzmeisterin Sybille Klinkhammer.

Was Karneval für die Kinder bedeutet, wird besonders 1991 deutlich: Aufgrund des damaligen so genannten „Golfkrieges“ sagte die Spätlese alle offiziellen Veranstaltungen ab. Man traf sich zwar zu einem Bier in der Halle, es gab auch Musik vom Band, doch richtiger Karneval sah anders aus. Drei Kinder, deren Wurzeln aus Lüxheim kamen, schafften es – wenn auch nur auswärts – für die betreffende Session das höchste Amt im Karneval auszuüben. Nicole Klinkhammer, älteste Tochter unserer jetzigen Schatzmeisterin, war Kinderprinzessin in Merzenich, Yvonne Gierling, Enkelin unseres Mitgründers Horst-Dieter Walter, übte das gleiche Amt in Rommelsheim aus, und Michael Krämer, Enkel unserer lieben Maria Krämer, war Kinderprinz in Nörvenich. Diese Tatsache ist ein weiteres Indiz für die Karnevalbegeisterung unserer Sprösslinge.

Die Weinlese

Ein Bruchteil der Ernte, den das „Pflänzchen Spätlese“ brachte, wurde bereits im Artikel über die „Traubenreife“ deutlich. Auch wenn der Name zunächst belächelt wurde und manchmal als Ziel eines Witzes diente, ist er heute ein Begriff geworden über die Kreisgrenzen hinaus, so dass man von einer guten Ernte sprechen kann. Wenn man bedenkt, welche Schwierigkeiten nach der Vereinsgründung erwartet werden mussten, ist bereits die Tatsache als Erfolg zu werten, dass man am 6. November 1976 mit einem Festkommers die elfte Session einläuten konnte.

Bei diesem Anlass wurde erstmals eine Pflanze aus dem Weinberg der Spätlese präsentiert, die drei Jahrzehnte lang dicke Trauben von bestem Geschmack getragen hat, unser Fanfarenkorps. Als „Kellermeister“ war Heinz Lenzen wiederum dafür verantwortlich, dass dieses Korps zunächst als Jugendkorps gegründet wurde. Zunächst fungierte Franz Josef Kopp als Korpsführer, dann Robert Breuer und zum Schluss Helmut Klinkhammer.

Als im Laufe der Jahre aus den anfänglichen Kindern Jugendliche und später Volljährige mit eigenen Ansichten wurden, war es nur dem Optimismus und der Geduld von Heinz Lenzen zu verdanken, dass keine größeren Krisen das Korps erschütterten. Jeder Übungsleiter, ob anfangs Martin von Hagen oder später Karl Josef Lenzen, jeder hat sein Bestes gegeben, doch irgendwann war immer ein Stillstand hinsichtlich der Leistungen zu verzeichnen, und die Korpsmitglieder mussten neu motiviert werden. Im Frühjahr 1985 gelang Heinz Lenzen ein Glücksgriff, indem er Willi Schneider aus Geich als Übungsleiter verpflichten konnte. Seit diesem Zeitpunkt ging es mit dem Korps steil bergauf. Da bekanntlich ohne Fleiß kein Preis zu erzielen ist, waren die Übungsabende nicht immer ein Zuckerschlecken für die Korpsmitglieder.

Trotz des hohen Zeitaufwandes für Proben und Auftritte waren die Korpsmitglieder mit Leib und Seele bei der Sache und konnten 2001 das 25 jährige Bestehen feiern. Doch leider zeigten sich im Laufe der Jahre auch hier „Verschleißerscheinungen“, weil das eine oder andere Mitglied aus beruflichen, familiären oder sonstigen Gründen dem Korps – tlw. schweren Herzens- „Ade“ sagen musste.

Für Kinder und Jugendliche des Ortes war das Interesse an einer Mitgliedschaft nicht besonders groß, zum einen, weil zu Hause Computerspiele lockten, zum anderen weil Neuankömmlinge aufgrund der Qualität des Korps nach frühestens einem halben Jahr Proben ihren ersten Auftritt absolvieren durften. Es kam, wie es bei dieser Konstellation kommen musste, nach genau dreißig Jahren  und knapp 500 Auftritten 2006 seinen Betrieb eingestellt. Erfreulicherweise gibt es jedoch noch einige „zähe Kämpfer“, die alljährlich dem Lüxheimer Martinszug  bis heute noch die musikalische Note verleihen. Sind diese Leute der Grundstock für ein neues Korps???  Es wäre äußerst wünschenswert.

Jahre bevor das Fanfarenkorps seine musikalischen Aktivitäten einstellte, entdeckte unser Tausendsassa Peter Imdahl – Mitgründer, Büttenredner, Sänger, Tänzer, Sitzungspräsident – seine besondere musikalische Ader, in dem er eine Dorfhymne zauberte, zu der er 1994 Text und Musik schrieb.

Refrain:   Löxem, Löxem, du bes schön, Heimatdörpche kleen,

Nur en Löxem well ich senn, he ben ich doheem.

Em Boisch, do flüß dä Neffelbaach stell en sengem Bett,

un all Löksche jruß on kleen senn he richtig nett.

Dä Möscheberg am Waldesrand eß alt on jong bekannt,

on jedes Johr zur Winterzeit send mir erop jerannt.

Dann wued en Schlittefahrt jemaat bes medde en de Naht.

Dä helleja Mann hätt off jelaach: mir fuhren en de Baach.- Jo!

De Sandkul un emm Wasserturm do worre mir öf dren.

Wenn hu die Sonn am Hemmel stond, dann jenge mir dohenn.

Emm Wasserturm do klomme mir bis offen en de Turm,

und wenn ens ene boue wollt, wuet Sand mem Päät jehollt- Jo!

Wenn hu die Sonn am Hemmel stond, un et wor richtisch warm,

dann spellte mir em Opsprong emme Räuber un Schandarm.

Uss Holz de wuet en Bud jebout, jo die war wunderschön,

von drenne konnt me ovends dann op dat Kapellche sehn-Jo!

Em Neffeltal, su witt verzallt, ich jlöv, dat es jewess,

en Dunkelsburg jestande hätt, die do versonke es.

Om Bahndamm fuhr de Bimmelbahn, konnt me von weggem sehn,

mein Jott watt wor die Zeck en Löxem damals richtig schön.-Jo!

Die Noten dieses herrlichen Liedes können beim Komponisten kostenlos angefordert werden, GEMA-Gebühren fallen ebenfalls nicht an.

Die letzte Zeile über die damals schöne Zeit konnte man ohne weiteres auf das Jahr 1994 übertragen. Durch den Bau der neuen Halle  (s.a. Kapitel „Rosinen aus 4×11 Jahre Weinlese) wurde nicht nur Peter Imdahl animiert, etwas Besonderes zu schaffen, sondern 17 weitere Mitglieder aktivierten zwei Gruppen: Andrea Gottschalk und Alice Klinkhammer hatten   innerhalb von drei Wochen  ein  Männer-

ballett bühnenreif gemacht. Robert und Wolfgang Breuer, Volker Franzen, Franz Josef Fuß, Toni Hoekstra, Helmut Klinkhammer und Jochen Lenzen hießen die „Ballerinen“.

Frank Franzen, Helmut und Nicole Klinkhammer, Andreas, Christoph und Stefan Krantz sowie Frank und Jörg Schneider bildeten die „Boys und Girl Group“ mit dem Namen „Schlabberlappe“, die nicht nur in Lüxheim sondern auch in weiten Teilen des Kreises Düren musikalisch für Furore sorgten.

Früher verpflichteten wir Karnevalisten aus Düren, Euskirchen und Köln, bis dato fahren wir in diese Städte, weil man dort an der Spätlese interessiert ist. Bisher haben Aktive der Spätlese rd. 350 auswärtige Karnevalsveranstaltungen in den Kreisen Aachen, Düren, Erftkreis, Euskirchen und Köln durch ihre Darbietungen bereichert. Sogar in der Hauptstadt Berlin konnte das Fanfarenkorps im November 1996 mit der befreundeten KG Füssenicher Grieläächer bei mehreren Auftritten sein Können unter Beweis stellen und dafür sorgen, dass Lüxheim nunmehr auch in Berlin bekannt ist. Nach Berlin folgten in zwei aufeinander folgenden Jahren ebenfalls mit den Freunden aus Füssenich zwei Fahrten nach Blaye in Frankreich. Somit kann das Korps internationale Auftritte in seiner Chronik festhalten. Auch wenn die meisten Auftritte der Spätlese-Aktiven  überwiegend im Austausch durchgeführt wurden, ohne „großes Geld“ zu kassieren, kann man doch von einer reichen Ernte sprechen, oder???

Das gleiche gilt für die eigenen Veranstaltungen. Bis Ende dieses Jahres hat die Spätlese insgesamt knapp 300 mal eingeladen, dabei zu 50 Sitzungen und 36 Kindersitzungen. Wenn man bedenkt, dass keine der Veranstaltungen ein echter „Flop“, also Reinfall war, können unsere Gründer stolz sein auf das, was sie vor 44 Jahren in die Wege geleitet haben.

Welcher Ort hat einen Veranstaltungsraum, der eine größere Personenzahl fasst als die Einwohnerzahl, und dieser Raum ist bei den Sitzungen „voll“: von 1974 bis 1980 jährlich dreimal innerhalb von vier Wochen, ab 1981 bis heute zweimal. Dies bedeutet, dass die Spätlese auch Auswärtige nach Lüxheim zieht, und zwar mit Karneval „made in Lüxheim“.

Bei der Ernte darf man auch nicht die „Früchte“ vergessen, deren „Blüte“ in den Kindersitzungen und deren „Reife“ in den Prunksitzungen erfolgte. Gemeint sind die Nachwuchskräfte, die ihre ersten Bühnenschritte in der „kleinen Sitzung“ wagten, um später mit Routine das Programm der „großen Sitzung“ bereichern zu können. Hierbei denke ich an Mitglieder der heutigen Tanzgruppen und die meisten ihrer Vorgängerinnen, an unseren „Westentaschen-Heino“ Helmut Klinkhammer – seit 1991 bereits erfolgreicher Vorsitzender der Spätlese-, an die „Spider Murphy Gang“ Michael und Ralf Klinkhammer, Ralf Franzen, Michael Krohm sowie Klaus Pawlowsky oder aber an Katrin Imdahl als Tanzmariechen und Büttenrednerin, die inzwischen als zweifache Mutter ihre Aktivität darauf beschränkt, ihre Tochter Jule zu einem hervorragenden Tanzmariechen auszubilden, leider in ihrem neuen Wohnort Schlich.

An dieser Stelle möchte ich an alle Eltern appellieren, die von ihren Kindern in der kleinen Sitzung angedeuteten Talente zu fördern und auch im Teenager-Alter zum „Durchhalten“ zu überreden.

Dabei wären wir bei einem besonderen Produkt aus den Kindersitzungen: Wie sang Weltstar Udo Jürgens vor einigen Jahrzehnten? „Siebzehn Jahr, blondes Haar, so stand sie vor mir!“ In Lüxheim hätte man in der Kostümsitzung 2000 fast sagen oder singen können: „Siebzehn Jahr, schwarzes Haar, so stand er vor uns!“ Er, das war Joachim -genannt Jojo- Kunth, der jetzt nicht als Kinderpräsident, sondern als echter Präsident die große Sitzung unter fachkundiger Beratung durch Heinz Lenzen mit Bravour leitete. Vierzehn Tage vorher war Jojo gerade 18 geworden, so dass die Spätlese keine Probleme mit dem Jugendschutz hatte. Ob der Sitzungstermin absichtlich bis zur Volljährigkeit des Präsidenten gelegt worden ist, darüber gibt es keine Überlieferung. Jetzt geht Jojo schon in die elfte Session und aufgrund seines Alters könnte er locker  ein goldenes Präsidentenjubiläum feiern, was dem Verein sehr zu wünschen wäre.

Mit Spannung erwartet er jedes mal die auswärtigen Auftritte. Die Gründe hierfür schildert er in den nächsten Zeilen:

Wie heißt denn nun der Präsident?

Bei sämtlichen Auftritten fiebern Eltern, Geschwister, Trainerinnen, Mariechen,  Tanzpaar,  Tanzgarden  und Elferrat den Tänzen mit Spannung entgegen. Natürlich auch auswärts  bei  Gastauftritten.  Doch  bevor  diese Tänze stattfinden, wird in den letzten Jahren einem mit höchster Beliebtheit und  größter  Spannung  erwarteten Highlight entgegen gefiebert. Nein, nicht ob jemand beim Aufmarsch die Treppe hochstolpert, einer vom Elferrat den Hosenstall offen hat oder der Präsident die Kappe falsch herum trägt.

Es ist eigentlich eine völlig normale Sache und gehört zu jedem Auftritt dazu. Dennoch ist es für alle Beteiligten zu einem riesigen Spaß geworden, wenn der gastgebende Präsident den Präsidenten der KG Lüxheimer  Spätlese  1966 e.V. begrüßt.  Die  amüsantesten  Namen  kommen  hierbei  heraus, wie z.B. Joachim

Kuhnt, Jochen Kunzt, Jojo Kunze, Hajo Kuhnat etc. etc. Sie können sich vorstellen, dass die Varianten noch

beliebig erweitert werden können und es jedem, ob auf der Bühne oder im Publikum, ein Schmunzeln ins Gesicht treibt- übrigens auch dem Präsidenten selbst.

Also nun zur Aufklärung: Der Präsident heißt Joachim Kunth.

Zugegeben ist Hans Müller, Josef Meier oder Peter Schmitz etwa einfacher, doch eigentlich ist Joachim

Kunth auch nicht sooo schwer. Zum Schutze der Präsidentenkollegen sei jedoch gesagt, dass nicht Alle

Probleme mit dem Namen haben. Dennoch sind auch diese sicherlich froh, wenn sie von der Bühne

runterkommen und einfach wieder unförmlich „Jojo“ sagen können.

2003 wurde eine Gruppe aus dem Hut gezaubert, deren Entstehung und Motivation von unserem Vorstandsmitglied Frank Hammant in nachfolgendem Beitrag erläutert wird. Frank als „Zugereister“ stellt ein Paradebeispiel dar, wie schnell man sich in Lüxheim in das Dorfleben integrieren kann.

Die Löxeme Poppeköpp

Hier wollen wir Ihnen die Geschichte des Männerballetts „Löxeme Poppeköpp“ etwas näher bringen.

Alles fing an, als Elferratsmitglied Frank Hammant 2002 mit der Idee aus Amerika kam. ein Männerballett in Lüxheim zu gründen. Schnell waren im Laufe der Kostümsitzung Bierdeckelverträge unterschrieben, von denen am nächsten Tag natürlich niemand mehr etwas wusste bzw. wissen wollte. Dennoch blieb man hartnäckig und die wirren Planungen nahmen langsam Gestalt an.

Bei etlichen Kästen Bier im Sommer und intensiven Gesprächen im Park nahe „Lüxheim City“ konnten die wöchentlichen schweißtreibenden- weswegen sie auch so viel trinken mussten- Trainingseinheiten im Herbst beginnen. Zwischenzeitlich hatten die Männer mit Petra Schmitz eine aufstrebende Trainerin gefunden, die genau in das Beuteschema des Balletts passte. Mit harter Hand, strengen Blicken und lauter Stimme sorgte sie dafür, dass eiserne Disziplin herrschte und dem schluckintensivem Training ein grandioser Auftritt auf der Kostümsitzung 2003 folgen sollte.

Fünfzehn junge Männer im Alter von 16 -35 Jahren fieberten dem großen Höhepunkt entgegen. In Lüxheim wollte man gar nicht glauben, dass diese Chaotentruppe tatsächlich etwas auf die Beine stellen würde, und das ohne Legionär, quasi aus der eigenen Jugend heraus gezüchtet. – Respekt Männer! –

Aber man belehrte das Dorf eines Besseren. Von Dirk Bille bis Fabian Wagner war nicht nur alphabetisch alles vertreten, sondern auch größentechnisch hatten sie alles dabei, was Rang und Namen besaß. Ein fescher Einmarsch zu den Klängen von „girls, girls, girls“ der Gruppe „Sailor“ brachte sofort die gesamte Halle in Partystimmung. Folglich regnete es rote Rosen von den Brettern, die die Welt bedeuten, auf das phantastische, begeisterte Volk hinunter. Aber das war noch nicht alles.

Es folgte der „French can can“ in wilder Westernmanier; noch heute sind wir uns sicher, dass sich Jacques Offenbach im Grabe herumdrehte. Die Truppe bot Akrobatik pur, die Damen riss es verständlicherweise von den Sitzen, und die Trainerin konnte nicht fassen, dass sie sich so gut verkaufen würden- okay, sie hat bestimmt auch Sachen gesehen, die eigentlich nicht zum Tanz gehörten, aber da sieht man mal, wie spontan die Jungs auf der Bühne waren. Vom Handstand über waghalsige, atemberaubende Hebefiguren bis zum doppelten Radschlag hatten sie alles in Petto. Die Zauberei nahm wahrlich kein Ende. Ein Wahnsinnsprogramm spulten sie ab, die Jungs.

Man munkelt noch heute, dass so manch einer das aufgenähte rote Herz auf der Unterhose am nächsten Morgen von hinten nach vorne gedreht hatte. So stürmisch war es bisher wohl nur im Wilden Westen.

Nach dem Auftritt ist vor dem Auftritt, und so kam es, dass sie einige Wochen später schon wieder in den Planungen für die kommende Session waren. Die Erwartungshaltung war natürlich riesig, und der Druck für den einen oder anderen war schon enorm. Aber man bot auch im nächsten Jahr einen viel umjubelten Auftritt.

Zum Einmarsch donnerten heiße  Techno-Rhythmen durch das Gebälk, und die Stimmung war wieder zum Zerreißen. Als Cheerleader boten die Poppeköpp wiederum eine spektakuläre Darbietung. Ein kölsches Potpourri brachte die Lüxheimer wieder auf 180, und die sexy Kostüme verhagelten so manch junger Dame die klaren Gedanken.

Es war ein würdiger Abschied für die Poppeköpp, nach einer zugegeben sehr kurzen, aber intensiven Karriere, die sogar in Berlin hätte enden können. Dieses Angebot wurde jedoch auf Grund der starken Heimatverbundenheit und dem in Berlin nicht vorhandenen Bitburgers dankend abgelehnt.

LÜXHEIM, ES WAR NUR FÜR EUCH!!!

Vielleicht sieht man das Männerballett irgendwann einmal wieder. Die Spätlese würde sich jedenfalls sehr darüber freuen, einen so professionellen Beitrag auf der eigenen Sitzung in der Bürgerhalle begrüßen zu dürfen.

Mitwirkende waren: Trainerin Petra Schmitz, Dirk und Sascha Bille, Bastian Bönsch, Julian Breuer, Stefan Esser, Frank Hammant, Holger Hilden, Günther und Ralf Klinkhammer, Alexander Krämer, Martin Kunth, Thomas Olefs, Benjamin und Sebastian Schmitz und Fabian Wagner.“

Zur Motivation unserer jungen Weintriebe wurden Fahrten organisiert. Neben einer Fahrt nach De Efteling in den achtziger Jahren wurde fast jährlich ins Phantasialand gefahren. Um dem Hang unserer Kinder nach Abenteuer zu entsprechen, wurde 1995 erstmals in unserer Vereinsgeschichte ein Zeltlager auf dem Sportplatz veranstaltet. 1996 fuhr man für eine Nacht auf den Campingplatz nach Hausen. 1997 stand dann eine dreitägige Fahrt mit dem Bus in den Ferienpark nach Saarburg auf dem Programm.

Die Winzer und Winzerinnen der Spätlese

Als erste Winzer (Vorstandsmitglieder) waren 1966 für die Freude der Lüxheimer verantwortlich:

Vorsitzender:                                                                           Heinz Lenzen (bis 1991, heute Ehrenvorsitzender)

Kassierer:                                                                                Horst-Dieter Walter

2. Vorsitzender und Schriftführer:                                             Peter Imdahl

Alle Vorstände, ob der erste oder der heutige, hatten bzw. haben eines gemeinsam: „Viel Arbeit!“ Der objektive Betrachter wird sagen: „Was früher drei Leute geschafft haben, dazu brauchen die heute 14!“ Ohne die Leistung der „ersten Männer“ schmälern zu wollen, muss man feststellen, dass es damals nicht die Vielfalt der Aufgaben zu bewältigen galt, die heute alljährlich die Spätlese belasten. Dieses dürfte dem aufmerksamen Leser nicht entgangen sein.

Ob Tanzmariechen, Tanzgruppen, Gesangsgruppe, Karnevalszug, Sitzungen, Tanzveranstaltungen, Bühnen- und Saaldekoration, auswärtige Besuche und vieles mehr, jeder einzelne Punkt verlangt Betreuung bzw. Organisation, die man nicht „auf die Buckel“ einer Handvoll Leute “ abwälzen kann. Dass dabei die Frauen in der Spätlese ebenfalls „ihren Mann stehen können“, haben sie immer wieder bewiesen. Nicht von ungefähr ist daher der jetzige Vorstand – wie schon vor 22 Jahren- zu 35 %, also mehr als zu einem Drittel, mit Frauen besetzt.

Die Weinleserinnen der Spätlese

Die Spätlese ohne Frauen ist wie Glykol-Wein, nichts wert. Bei allem Respekt vor den Leistungen der männlichen Vereinsmitglieder, unsere „Ur-Winzer“ haben schon ihre Gründe gehabt, als sie Weinleserinnen in den Verein aufnahmen. Eine Lüxheimer Spätlese ohne Frauen ist heute undenkbar.

Bei den Tanzgruppen fängt es schon an. Wie oft haben die bereits erwähnten Spätlese-Girls die Farben Lüxheims würdig vertreten? Gleiches gilt für die jeweiligen Funkengarden, aus deren Reihen viele Mädchen zehn und mehr Jahre ihre Beine für den Verein geschwungen haben. Dann darf man die Betreuerinnen und Trainerinnen von Tanzmariechen und Tanzgruppen nicht vergessen, die oft neben ihren Verpflichtungen als Hausfrauen und Mütter ihre geringe Freizeit der Spätlese opferten. Besonders hervorzuheben sind die Frauen, die immer still im Hintergrund arbeiten und in der Öffentlichkeit kaum in Erscheinung treten, aber immer dann voll zupacken, wenn typisch weibliche Handarbeiten verlangt werden, z.B. Dekorationen oder Kostüme herrichten.

Stellvertretend für alle muss an dieser Stelle Marianne Krudewig genannt werden, die neben ihrer fast vierzigjährigen Tätigkeit als Schatzmeisterin den Verein von fast allen Kostümproblemen befreit hatte. Nähen oder Ändern von Kostümen der Funkengarde ließ sie sich ebenso wenig nehmen wie die Fertigung aller Kostüme des Fanfarenkorps für die Karnevalszüge. Die Vereinsfahne hat sie, unterstützt von  Mechtilde Lenzen, der Frau des damaligen Vereinsvorsitzenden und heute Ehrenvorsitzenden Heinz Lenzen, mit der gleichen Selbstverständlichkeit genäht und gestickt, wie sie alljährlich die Blumendekoration hergerichtet hat.

Zieht man die in diesem Artikel bezeichneten Verdienste von der Vereinsarbeit in ihrer Gesamtheit ab, kann sich jeder leicht ausrechnen, was von einer „Spätlese ohne Weinleserinnen“ übrig bleibt.

Dass diese bei der Spätlese immer von großer Bedeutung waren, zeigt die Tatsache, dass bereits seit den siebziger Jahren immer mindestens zwei Tanzgruppen existierten. Gleiches gilt für die Riege der Tanzmariechen, angefangen bei Katrin Imdahl, die zwölf Jahre als Solistin und noch mehr Jahre in der Garde das Tanzbein geschwungen hat, gefolgt von Yvonne Klinkhammer, die 11 Jahre beim Tanzen auf sich alleine gestellt war, und heute glückliche Mutter ist.

Den aktuellen Zustand der Tänzerinnen, sowohl was die Anzahl betrifft als auch die Gefühlslage, die Motivation und die Erlebnisse kann am besten eine der noch Aktiven schildern, Karen Felser.

Jeder Jeck weiß, dass ab dem 11.11. die schönste Zeit des Jahres beginnt. Ab diesem Datum heißt es, alle Mann ins Auto und von Dorf zu Dorf.

Am Zielort eingetroffen muss man all aktiven „Glasheber“ des Elferrates und „Beinheber“ der Tanzgarden zusammen trommeln und in Reih und Glied aufstellen. So manch einer verpasste den Auftritt und winkte uns aus dem Publikum zu.

Oben angelangt erfolgen die herzlichen Willkommensgrüße der Vereine. Diese netten Komplimente über die  Schönheit der Mädchen und das fantastische Bild, das wir auf der Bühne zeigen, gehen „runter wie Öl“, und das Lampenfieber nimmt etwas ab. Unser Präsident wird mit vielerlei Namen willkommen geheißen, ob Joachim Kunath, Knuth  oder Jochen  Kurth, sein  Geburtstag bleibt aber immer derselbe. Da unser Präsident einen Posten liebt, ist es ihm Jahr für Jahr egal, dass er an seinem Geburtstag mit uns durch die Dörfer zieht.

So auch 2004, als er in einer festlichen Runde bei Cheeseburger und Fritten auf die Bank stieg und schrie:

„Herzlich willkommen im amerikanischen Spezialitätenrestaurant. Ich freue mich sehr, euch meine Gäste nennen zu dürfen. Nun haut kräftig rein und drei mol Löxem alaaf!“

Gut gesättigt und voller Energie machten wir uns auf den Weg nach Golzheim. Leider sollte dieser Auftritt für eine von uns der letzte der Session werden. Alles lief wie immer, niemand hat mitbekommen, dass Melina mit dem Fuß umgeknickt ist. Selbst beim Abmarsch fiel keinem auf, dass etwas nicht stimmte. Da das unser letzter Auftritt des Tages war, machten wir uns auf den Weg nach Hause. Erst im Laufe der Woche beim nächsten Training haben wir erfahren, dass Melina sich den Mittelfußknochen gebrochen hatte. Dies zeigt, mit welcher Begeisterung wir unserem Hobby nachgehen.

Man wird uns Recht geben, dass es für Lüxheim beachtlich ist, drei so starke Tanzgarden, drei Mariechen und ein Tanzpaar aktiviert zu bekommen. Die große Tanzgarde wurde in der Session 1992/93 von Frau Krudewig und Astrid Hürtgen-Groß gegründet. Für die Einwohner von Lüxheim stand da schon fest, dass diese Garde Zukunft hat und viel Freude bringen wird. Es ist in der Tat erstaunlich, wie ein harter Kern seit Anbeginn der Gründung aktiv dabei ist, ein Beweis für den starken Zusammenhalt, in guten wie in schlechten Zeiten.

So hat die kleine Garde eine Session nur mit fünf Mädchen getanzt und allen gezeigt, was der Wille erreichen kann. Die kleine Tanzgarde wurde 2003/o4 von Andrea Kunth und Natalie Meuser von Erika Schlösser übernommen und jeder weiß, dass dies Trainer den Grundstein für die Zukunft der Mädchen gelegt haben.

Unser ältestes Mariechen Janine Klinkhammer ist seit 1993/94 aktiv dabei und hat das Publikum schon mit vielen schönen Tänzen begeistert. Doch leider geht die Zeit an niemandem von uns spurlos vorbei, die Ausbildungen, die Wohnortwechsel wegen Arbeitsstellen bringt das Erwachsenwerden mit sich, und daher wird die Session 2009/10 für viele von uns die letzte sein. Daher ist es schön zu sehen, wie der Nachwuchs wächst und weiterhin begeistert von der Tradition des Tanzens ist.

Melina Breuer ist schon die fünfte Session ein Mariechen der Spätlese und wird weiterhin mit fabelhaften Tänzen begeistern. Ebenso wird sie dem Tanzpaar Elena Breuer und Lara Klinkhammer helfen, das Gute zu behalten und das Beste aus ihnen herauszuholen.

Der letzte Neuzuwachs zeigt sich im Kindermariechen Saskia Kohl, die ihrem Publikum in ihrer zweiten Session viel Freude bringen wird und in Zukunft noch einige Überraschungen erahnen lässt.

Ergänzend hierzu sei noch bemerkt, dass bereits im Jubiläumsjahr 1988 ein Tanzpaar existiert hat, nämlich Astrid Hürtgen und Daniela Portz. Die achtköpfige Bambini-Gruppe wurde 2007 gegründet, die Mittlere Garde besteht aus zehn Mädchen, neun junge Damen bilden die Große Garde, während der Schautanz von zwölf Tänzerinnen dargeboten wird. Auf dieser Vielzahl holder Weiblichkeit lässt es sich gut aufbauen oder???

Rosinen aus 4×11 Jahren Weinlese

Bisher übrig geblieben sind aus der 44jährigen Weinlesetätigkeit einige Rosinen, nicht alltägliche Ereignisse, die noch erwähnenswert sind:

Am 16. Februar 1969, Karnevalssonntag, sollte in Lüxheim ein Zug gehen; meterhohe Schneemassen wollten das verhindern- aber nicht in Lüxheim. Notdürftig wurden die Straßen geräumt, Kamelle und sonstiges kleineres Wurfmaterial wurden in Tütchen verpackt, damit die Zuschauer sie besser fangen konnten, und während sogar in vielen Städten der Karnevalszug im wahrsten Sinne des Wortes in den Schnee gefallen war, konnten sich die Lüxheimer am Zug erfreuen, auch wenn Arnold Beys manchmal mit einem zweiten Traktor steckengebliebene Wagen samt Traktor wieder in Fahrt bringen musste. Viele Teilnehmer, besonders innerhalb der Fußgruppen, reden heute noch vom bisher schönsten Zug. Lag es daran, dass sie vielleicht zuviel von innen gewärmt, manchmal Schwierigkeiten mit dem

Gleichgewicht bekamen, aber immer weich landen konnten, oder hatte Gottfried Klinkhammer als „Führer“ es ihnen angetan? Oder vielleicht Hubert  Franzen als Aristoteles Onassis und Peter Imdahl als seine Braut Jackie im weißen Brautkleid? Das Brautpaar schien die Hochzeitsnacht bereits vorher verbracht zu haben, denn beide waren des öfteren wackelig auf den Beinen. Während dem Brautkleid der Schnee nichts anhaben konnte, machte er sich aber besonders gut auf dem schwarzen Untergrund des Anzuges. Adi Heimbach gab als Streuengelchen in Gummistiefeln ebenfalls keine schlechte Figur ab; genauso wenig wie Sibilla Jöntgen als Hoss Cartwright aus der Bonanza-Gruppe.

In der Sitzung 1970 fieberte die Damen-Gesangsgruppe ihrem großen Auftritt entgegen. Lag es daran, dass man sich vorher zuviel Mut angetrunken hatte oder war den Sängerinnen die Aufregung auf die Blase geschlagen? Jedenfalls verspürten plötzlich alle einen stärkeren Druck in den unteren Regionen., der den Auftritt gefährdete. Da es draußen „saukalt“ war und der Weg zu dem gewissen Örtchen für die Damen nur über den offenen Hof führte, wagte keiner, den ersten Schritt zu tun. Der Zeitpunkt des Auftrittes rückte näher, die Aufregung wurde größer, der Druck auf die Blase stieg.

Um das drohende Chaos abzuwenden, besann sich Peter Imdahl seiner Tugenden als Kavalier alter Schule und organisierte auf die Schnelle einen sogenannten „Kammerpott“. Nun konnten die Damen im warmen Zimmer ihrer Blase freien Lauf lassen, und bis alle „erleichtert“ der Bühne zustrebten, hatte Peter Imdahl „Schwerstarbeit“ zu verrichten. Zweimal musste er mit ruhiger Hand einen randvollen Pott durch die Kälte der Nacht zur Entleerung bringen. Ob seine Hand tatsächlich ruhig gewesen ist oder ob der Inhalt des Topfes durch Überlaufen seine kalten Finger erwärmt hat, darüber schweigt der Kavalier.

1970 hatte die Spätlese erstmals mit drei Auswärtsbesuchen an einem Abend zu kämpfen. Erster Auftritt in Eggersheim, dann in voller Fahrt nach Golzheim; dort angekommen stellte man fest, dass sich Plattenspieler nebst Schallplatte für den Tanz der Funkengarde noch in Eggersheim befinden mussten; also zurück nach Eggersheim, Plattenspieler geschnappt, zurück nach Golzheim, auf die Bühne, Plattenspieler geöffnet, und siehe da, es lagen zwei Platten drin- zwei Halbe! Die Golzheimer können Gott sei Dank mit einem Tonband aushelfen; kurze Hörprobe, jawohl, es ist die gleiche Musik. Die Garde tanzt, plötzlich bleibt sie stehen, weil das Band zu Ende ist. Es war also doch nicht die gleiche Musik; die Bandaufnahme war kürzer als die Aufnahme der Platte. Am späten Abend, beim dritten Auftritt in Disternich, war der ganze Ärger wieder vergessen.

Am 17. Dezember 1972 fährt die Spätlese mit Büttenrednern und Tanzgruppen zu einem Seniorennachmittag nach Frauwüllesheim. Das Programm läuft bestens, alle Aktiven kommen beim Publikum bestens an, in erster Linie natürlich Plaat un Pläätche. Peter Imdahl als Plaat hatte aber das Pech, dass er bei seinem Partner Heinz Lenzen nicht ankam. Keiner der Zuhörer, außer den Lüxheimern, hatte bemerkt, dass Peter seinen Teil der Rede, die fast jeder Lüxheimer auswendig kannte, vergessen hatte. Vermutlich hatte Peter zuviel den 4. Advent gefeiert, aber dank seines Improvisationstalentes war der Auftritt wie alle Auftritte von Plaat un Pläätche ein toller Erfolg.

Als die Spätlese-Mannschaft erfuhr, dass nach den karnevalistischen Darbietungen für die Senioren eine Weihnachtsfeier sein sollte, sorgte die Spätlese auch noch für die Überleitung, indem Siegfried Will als Nikolaus verschiedene Senioren wegen ihrer Unarten rügte.

1973 hatte man einen Bus gechartert, um in Brühl eine Sitzung zu gestalten. Die Männer, froh dass sie ihren PKW zu Hause stehen lassen konnte, tranken tlw. mit den Brühlern um die Wette deren „Nationalgetränk“, Jägermeister. Die Lüxheimer, in diesem Getränk ungeübt, zogen den Kürzeren, so dass auf der Heimfahrt im Bus Plastiktüten für den „Bröckelhusten“ sehr gefragt waren. Elferratsmitglied Kai Klinkhammer, an der Theke in Brühl der Lüxheimer mit der höchsten Standfestigkeit, hatte es besonders stark erwischt. Seine Tüte schien zu klein zu sein, so dass sein schwarzer Anzug bei der Ankunft in Lüxheim ein anderes Muster hatte als vorher.

1974 brachten die Spätlese-Girls einen Matrosentanz und mussten ihre Mitstreiterin Sofia Klinkhammer auf Paddeln tragen. Vor einem Auftritt in Bessenich hatten sie, wie es sich für echte Matrosen gehört, zuviel harte Sachen zu sich genommen- natürlich nur zur Bekämpfung des Lampenfiebers. Als dann der entscheidende Teil des Tanzes kam, klappte es mit der Handhabung der Paddel nicht mehr so richtig, und Matrose Sofia landete unsanft, jedoch mit dem Körperteil, auf dem man normalerweise sitzt, auf dem Boden. Die Landung war aber so gekonnt, dass jeder Zuschauer meinte, das sei einstudiert.

In der Prunksitzung am 19. Januar 1979, beim letzten Programmpunkt vor dem Finale, tränten dem Publikum die Augen vor lauter Lachen. Nur einem Akteur auf der Bühne tränten die Augen aus anderen Gründen- vor Schmerzen. Eine Gruppe, gemischt aus Elferrats- und Vorstandsmitgliedern, brachte einen Ausschnitt aus der damals aktuellen Fernsehserie „Heidi“. Nachdem Alm-Öhi, Großmutter, Frl. Rottenmeier, Klara und Geißenpeter nebst echter Geiß und Bernhardiner Josef (ein noch nicht ganz ausgewachsener Dackel) auf der Bühne waren, rief der Alm-Öhi seine Heidi. Mit den Worten „Großvater ich komme“ kam Peter Imdahl, als Heidi entsprechend zurecht gemacht, in den Saal gelaufen und beim Sprung auf die Bühne fiel Heidi- auf die „Schnauze“! Das Publikum brüllte vor Begeisterung. Keiner der Zuschauer wusste, dass der Fall wochenlang einstudiert worden war. Nicht einstudiert war jedoch, dass beim Fallen die Bühnenbretter so unsanft geküsst werden sollten, wie es jetzt beim Auftritt geschehen war. Da Peter schon immer hart im Nehmen war, stand er trotz starker Schmerzen den Auftritt mit Bravour durch, aber seine aufgeplatzten Lippen erinnerten ihn noch wochenlang an seine Rolle als Heidi, das gefallene Mädchen.

Auf den Tag genau ein Jahr später, in der Prunksitzung am 19. Januar 1980, war Präsident Siegfried Will sehr nervös. Man konnte es ihm nicht übel nehmen, denn statt zehn hartgesottener Männer saßen links und rechts von ihm insgesamt elf charmante Damen. Für den Zuschauer im Saal war dies ein reizender Anblick, aber für den armen Kerl in der Mitte des Elferrates ein „Spiel mit dem Feuer“.

Auf originelle Art wurde die Spätlese beim Bunten Abend am 8. November 1980 unterstützt. Zu vorgerückter Stunde schnappte sich unser Vereinsmitglied Rudolf Schmitz kurzerhand die beiden Regenschirme seiner Frau und seiner Tante Marianne Krudewig und spielte Auktionator. Der Versteigerungserlös für die beiden Schirme erbrachte 30,–DM, die anschließend in die Vereinskasse flossen.

In der Session 81/82 bewahrheitete sich das Sprichwort, dass viele Köche den Brei verderben. Ausnahmsweise hatten sich zwei Leute um die Terminabsprache mit den befreundeten Gesellschaften gekümmert, und es kam, was kommen musste. Für den 30. Januar waren insgesamt fünf Zusagen für auswärtige Auftritte gegeben worden. Nach stundenlangen Telefongesprächen mit den betroffenen Programmgestaltern schien es doch noch terminlich zu klappen.

Aber da bekanntlich zwischen Theorie und Praxis oftmals große Differenzen bestehen, ging der gesamte Zeitplan beim dritten Auftritt den Neffelbach hinunter. In Nörvenich war man länger als geplant festgehalten worden, und so mussten unsere Freunde in Golzheim- wie sagt man so schön- in die Röhre gucken. Wenn sie wenigstens in Golzheim eine (Fernseh-)Röhre gehabt hätten, dann hätten sie dem Publikum etwas bieten können, aber da diese fehlte und die Lüxheimer nicht kamen, musste die Sitzung vorzeitig beendet werden. Wie unter Karnevalisten üblich, war der Ärger schnell vergessen, und mit einem Jahr „Verspätung“ kam die Spätlese in Golzheim 1983 an.   

Seit 1969 findet in Lüxheim alljährlich eine „Miss-Wahl“ statt. Dieses hat nichts mit manipulierten politischen Wahlen zu tun, sondern es wird eine echte „Miss“ gekürt, eine Miss Möhn. Mit Sachverstand ausgestattete, nicht kostümierte Besucherinnen des „Möhneball“ bestimmen als Jury die drei originellsten Möhnen. Aus diesen dreien wird dann die Miss Möhn gewählt. Dies Art der Wahl hatte immer wunderbar geklappt, und am Ende standen immer drei weibliche Wesen auf der Bühne, die ihre Preise in Empfang nehmen konnten. 1985 waren das Gelächter beim Publikum und die Verwirrung bei den Verantwortlichen groß, als nach der Demaskierung die Miss Möhn sich als „Mister Möhnerich“ entpuppte. Erik Weber hatte alle aufs Glatteis geführt.

Unbeabsichtigt aufs Glatteis geführt wurden die aufmerksamen Leser „Deutschlands größter Tageszeitung“ durch die Ausgabe vom 16. Juli 1981. Gleichzeitig war dieser besagte Bericht ein Beweis dafür, dass die Spätlese dem Ort Lüxheim unverhoffte Berühmtheit einbrachte:

Am 21. Dezember 1980 und am 12. Juli 1981 hatte die Dürener Kreisbahn in der von der Spätlese gepachteten Halle zwei Treffen für Rollstuhlfahrer und außerordentlich Gehbehinderte organisiert. Die Spätlese stellte die Halle kostenlos zur Verfügung,

Mitglieder der Spätlese sorgten für das leibliche Wohl der Gäste, das Fanfarenkorps versetzte die Anwesenden in prächtige Stimmung. Selbstverständlich waren auch die Vertreter der Lokalpresse anwesend und berichteten anschließend in entsprechend würdigem Rahmen von der letzten Veranstaltung am 14. Juli. Zwei Tage später erschien folgender Bericht in der bereits erwähnten Zeitung:

Gute Idee

Düren – Mit drei Spezialbussen hat die Dürener

Kreisbahn alle Gäste des ständigen Behinderten-

fahrdienstes eine Freude gemacht: Kostenlos wurden

die Rollstuhlfahrer zum Weinort Lüxheim gebracht.

Dort gab es ein Riesenfest.

Vielleicht hatte der Journalist der „großen“ Zeitung beim Studieren der Berichte aus der Lokalpresse die Schlussfolgerung gezogen, dass es sich bei einem Ort, in dem es die Spätlese gibt, nur um einen Weinort handeln kann. Bis heute ist Lüxheim noch nicht soweit, aber da bei der Spätlese nichts unmöglich ist, könnte es irgendwann sein, dass echter Wein an den Ufern des Neffelbach reift.

In der Jubiläumssitzung 1988 hatte sich zu vorgerückter Stunde noch eine Gastgesellschaft angekündigt, „Les Urineurs du Neffel“, zu gut Deutsch „Die Neffelbachpisser“. Wie sich jeder bei dem Namen schon denken kann, handelte es sich bei dem Auftritt um eine Persiflage mit männlichem Tanzmariechen (Rudolf Schmitz) und einem Präsidenten (Peter Imdahl), dem der Schneider bei der Fertigung des Präsidentenanzuges ein Hosenbein nur bis zum Knie genäht hatte. Vermutlich war ihm der Stoff ausgegangen. Die Begeisterung des Publikums über diesen Auftritt war enorm.

Selbstverständlich hatte die Gastgesellschaft auch einen Prinzen in ihren Reihen, Anton Joachim. Er verkörperte den höchsten Würdenträger im Karneval so gekonnt, dass man ihm flugs einen Prinzenwagen baute und dieser als Highlight den Karnevalszug bereicherte.

Beim abendlichen Kostümball kam Tollität Anton ziemlich zerknirscht, nämlich zahnlos an, weil ihm sein Gebiss abhanden gekommen war. Während des Zuges hatte er mehrere Druckstellen verspürt, das Gebiss irgendwo auf dem Prinzenwagen deponiert und – so vermutete er – irgendwann im Eifer des Gefechts mitsamt Wurfmaterial unter die närrischen Untertanen geworfen. So seine Version.

Da die Lüxheimer schon immer ein hilfsbereites Völkchen waren, forderte der damalige Präsident das im Saal anwesende Publikum auf, bei Auffinden eines Gebisses sofort Prinz Anton zu kontaktieren.

Tags darauf beim Rosenmontagsball kam die Tollität strahlend mit Zähnen bewaffnet und erklärte, sein Esszimmer sei nicht unter das Volk geraten, sein verspielter Hund habe es lediglich unter einem Sofakissen versteckt. Es wurde ein äußerst schöner Rosenmontagsball, und Prinz Anton konnte wieder herzhaft in seine Currywurst beißen.

Nach Karneval 1992 wurde uns das bisherige Quartier zum Sommer 1993 gekündigt. Daraufhin gründete sich aus allen Dorfvereinen ein Bürgerverein zum Bau einer neuen Halle. In diesem Moment konnte man sehen, dass unser Dorfleben noch sehr in Takt ist. Mit gemeinsamen Anstrengungen war innerhalb kürzester Zeit die neue Bürgerhalle errichtet. Bereits 1994 konnte so übergangslos im halbfertigen Bau Karneval gefeiert werden.

Wenige Tage nach der Prunksitzung konnte man in der örtlichen Presse folgendes lesen:

„Was kaum einer im Dorf für möglich gehalten hat, das ist erreicht worden. Am Bau des Dorfgemeinschaftshauses ist in den zurückliegenden fünf Monaten von freiwilligen Helfern in 5000 ehrenamtlich abgeleisteten Stunden so zügig gearbeitet worden, dass darin am Freitag schon die Prunksitzung der Karnevalsgesellschaft gefeiert werden konnte. Herzlich gelacht wurde, als der Elferrat unter Vorantritt des vereinseigenen Fanfarenkorps in blauen Arbeitsanzügen und mit gelben Schutzhelmen als Kopfbedeckung auf die Bühne marschierte.

Nicht ohne Grund hatte der Elferrat diese Bekleidung gewählt, muss doch bis zur endgültigen Fertigstellung des Hauses auch in den nächsten Monaten noch fleißig gearbeitet werden. Bis zur Einweihung im August wird sich die Zahl der freiwillig abgeleisteten Arbeitsstunden gewiss auf 10 000 erhöht haben. Lob verdienen vor allem die Lüxheimer Rentner, die Tag für Tag auf der Baustelle anzutreffen sind und sich sogar darüber freuen, am Bau des Dorfgemeinschaftshauses mithelfen zu können. Für die Baumaterialien sind bisher schon rund 130 000 Mark ausgegeben worden. Diese Summe setzt sich aus einem zinslosen Kredit in Höhe von 70 000 Mark, aus Mitgliedsbeiträgen und Spenden zusammen. Die Bürgerinitiative, die sich das Bauvorhaben zum Ziel gesetzt hat, ist überzeugt davon, dass auch die restlichen Arbeiten noch termingerecht durchgezogen werden können, damit im August der Neubau eingeweiht werden kann.

Bürgermeister Hans Maus, Ortsvorsteher Volker Franzen und Gemeindedirektor Josef Kranz, die Gäste der närrischen Sitzung waren, sparten nicht mit Lob für die fleißigen Bauhandwerker und staunten über das, was bisher geschaffen worden ist. Den Sitzungsbesuchern wurde ein gutes Programm geboten. Angesagt wurde es von Peter Imdahl, der Helmut Klinkhammer vertrat, der wegen eines Trauerfalles in der Familie auf die Mitwirkung verzichten musste. Das Fanfarenkorps machte den Anfang im mehrstündigem Programm, in dem hauptsächlich eigene Kräfte auftraten. Musik, Gesang, Gardetanz und Humor in der Bütt wechselten sich ab. Viel Beifall erhielten das Tanzmariechen Yvonne Klinkhammer und die „Löxeme Tanzjonge“, ein Männerballett. Abordnungen befreundeter Gesellschaften waren nach Lüxheim gekommen, um mitzufeiern. Dazu zählte auch die Kelzer Gesangsgruppe „Alt-Fidele“. “    

Heute ist die Halle aus dem dörflichen Leben nicht mehr wegzudenken. Neben den Karnevalsveranstaltungen findet das alljährliche Schützenfest regen Anklang, die Kelzer Kultur- und Naturfreunde bringen in der Halle durch ihre Theateraufführungen das Publikum ebenfalls zum Lachen. In den Räumlichkeiten werden ebenso zahlreiche Familienfeste abgehalten wie die einzelnen Versammlungen der Ortsvereine und Nikolaus- und Seniorenfeiern.

Seit einigen Jahren gibt es jeweils im September eine besondere Veranstaltung, über die unser Vorstandsmitglied Frank Hammant wie folgt zu berichten weiß:

Lutter op Tour

Seit nunmehr vier Jahren ist der Veranstaltungsservice „Lutter op Tour“ aus Köln zu Gast bei uns in der Bürgerhalle. Auswärtige Gesellschaften und natürlich auch die eigene Spätlese haben dort die Möglichkeit, eine Karnevalssitzung ganz ungebunden und ohne Zwang mitzuerleben. Selbstverständlich ist der Eintritt frei und die Veranstaltung wird nach anfänglichem Zögern auch von der Dorfgemeinschaft sehr gut angenommen.

Auf dieser Sitzung stellen sehr bekannte, aber auch noch junge, talentierte Kölner Kräfte ihr Programm für die neue Session vor; deshalb ist es auch für die Beteiligten enorm wichtig zu wissen, wie ihre Einlagen bei fremden Publikum ankommen und welche Parodie oder Rede sie noch ändern müssen. Eine solche Veranstaltung ist bei den Künstlern sehr beliebt, da es diese Möglichkeit vor fremdem Publikum im Kölner Raum nur dreimal gibt. Die Lüxheimer Spätlese ist ein wenig stolz darauf,, von der Veranstaltungsagentur ausgewählt zu werden. Die Bürgerhalle ist ein optimaler Ort und das närrische Lüxheimer Publikum bis weit hinter Köln bekannt. An den Nummernschildern der im Dorf parkenden Fahrzeuge und aus Gesprächen stellt sich Jahr für Jahr heraus, dass sich dieser Termin bei vielen Vereinen herumspricht und einen festen Platz in den Terminkalendern der Verantwortlichen beansprucht. Manche nehmen sogar eine zweistündige Autofahrt in Anspruch, um an diesem Abend Gast in Lüxheim zu sein.. Ob aus Alzey, Bergisch Gladbach oder um die Ecke aus Kelz oder Disternich. Hier entstehen tatsächlich kleine Freundschaften, und wir sind froh, wieder alte Gesichter zu sehen und neue kennen zu lernen.

Für die kleine Lüxheimer Gesellschaft ist dies ein echter Glücksfall, denn hier werden Beziehungen geknüpft, die es ein wenig einfacher machen, eine starke eigene Sitzung zu präsentieren und zu halbwegs zivilen Preisen anzubieten.

Wer dieser Veranstaltung bisher noch nicht beigewohnt hat, den laden wir selbstverständlich für das nächste Jahr herzlich ein, um Künstler wie Bauchredner Peter Kercher mit Dolly, den Feuerwehrmann Kresse oder Moped Manni zu sehen, allesamt bekannte Karnevalisten, die live noch besser zur Geltung kommen als im Fernsehen.

Die KG Lüxheimer Spätlese freut sich über jeden einzelnen Künstler und hofft auch im nächsten Jahr wieder auf ein volles Haus bei natürlich freiem Eintritt, leckerem Kölsch, frischen Schnitzeln und deftigen „Bremsklötz“.

Man kann also mit Fug und Recht behaupten, dass im Laufe des Jahres in der Halle „immer etwas los ist“. Auf der Halle, genauer gesagt, auf dem Dach der Halle, war am 16. August 2009 auch etwas los. Dort war jedoch Standfestigkeit gefragt. Bei den Fotoaufnahmen für die Festschrift kam Präsident Joachim Kunth die Idee, aus dem Wappen der Spätlese das „S“ aus den Aktiven zu formen. Wie kann man eine vernünftige Aufnahme aus dieser Personenkonstellation zaubern? Nur aus der Höhe!

Da kein Hubschrauber zur Verfügung stand, musste Fotografin Sandra Smerda mit Hilfe einer langen ausziehbaren Leiter der Spätlese “ aufs Dach steigen“. Aus Sympathie kletterte Tanja Simon mit nach oben, um einige Aufnahmen für das Familienalbum zu schießen. Aus luftiger Höhe wurden dann hervorragende Schnappschüsse gefertigt.

Vorstandsmitglied Frank Hammant schlug dann vor, aus dem gleichen Personenkreis „4 x 11“ zu bilden. Gesagt, getan, doch hätten es ein paar Personen mehr sein dürfen. Also sollte mangels Masse das „Malzeichen“ durch eine Person dargestellt werden, aber wie???

Seniorenmariechen Janine Klinkhammer musste sich rücklings in das Gras legen, die Arme und Beine spreizen und somit das „X“ bilden. Bis die Aufnahme im Kasten war, dauerte es einige Zeit, weil noch Umpositionierungen vorgenommen werden mussten. Dabei merkte Janine dann, dass sie mitten auf einem Ameisenhaufen lag. Doch eisern hielt sie dem Angriff der Fleißigen Tierchen stand.

Fazit: Wer sich mit der Spätlese einlässt, muss auf alles gefasst sein, manchmal hoch hinaus müssen und auch leiden können, nämlich ohne Gegenwehr sich von Insekten bekrabbeln lassen als Training für das „Dschungel-Camp“.

Wermutstropfen im Freudenbecher

Alljährlich im Herbst freuen sich die Karnevalisten auf den Beginn der fünften Jahreszeit am 11.11. Doch im Herbst 2008 wollte keine richtige Freude aufkommen.

Am 3.11. verstarb plötzlich und unerwartet im Alter von 80 Jahren Ehrenmitglied Marianne Krudewig. Marianne gehörte zu den drei Frauen „der ersten Stunde“ und konnte auf eine 42-jährige Vereinszugehörigkeit zurückblicken. Für sie galt die Devise: „Die Spätlese ist mein Leben!“ Als Außenstehender hatte man manchmal den Eindruck, dass bei Marianne der Karneval oberste Priorität hatte, danach kam erst die Familie.

39 Jahre hat sie vorbildlich die Kassengeschäfte geführt; kein Beamter hätte es penibler machen können. Wenn ihr Mann Christian, der reichlich mit Thekendienst „eingedeckt“ wurde, Richtung Halle marschieren wollte, musste er seiner Frau erst den Erhalt des Wechselgeldes quittieren, bevor er das Haus verlassen durfte. Ob als damaliges  Mitglied und „Anführerin“ der Spätlese Girls, als Schneiderin der Kostüme für Tanzgarden und Fanfarenkorps, als Trainerin der Tanzgarde, als Zugteilnehmerin (bis im Alter von 78 Jahren) und Helferin beim Wagenbau, in jeder „Disziplin“ war sie stets mit Begeisterung und vollem Einsatz bei der Sache, auch dann, als sie unter ihren Mitstreiterinnen bei  den Spätlese-Girls  im wahrsten Sinne des Wortes „gelitten“ hatte. Die Gruppe hatte im Karnevalszug einen Feuerwehrwagen, Marianne war der Einsatzleiter. Vermutlich hatten ihre Leute, wie es sich für  Einsatzkräfte gehört, zu anständig gelöscht -leider jedoch nur den eigenen Durst- so dass gegen Zugende Marianne unter ihre Mitstreiterinnen geriet, so dass beim Feuerwehrhauptmann drei Rippen zu Bruch gingen. Ungeachtet dessen versah sie am gleichen Abend ihren obligatorischen Kassendienst.

Neben ihrem beschriebenen Einsatz erhielt der Verein  von ihr manche  finanziellen Zuwendungen, wenn sie z.B. den Blumenschmuck für die Sitzung und verschiedenes Material aus eigener Tasche bezahlte.

Marianne hinterlässt eine Lücke, die unmöglich von einer Person alleine geschlossen werden kann.

Keine sechs Wochen nach Mariannes Tod überrascht uns die Nachricht, dass unsere verehrte Frau Maria Krämer, ebenfalls Ehrenmitglied der Spätlese, am 12.12. im Alter von 85 Jahren verstorben ist. Ihre besonderen Verdienste um die KG sind bereits im Abschnitt „Die Ableger der Stöcke“ dargelegt worden. Von Natur aus keine echte Karnevalistin, aber dafür legte sie umso mehr einen außergewöhnlichen sozialen und christlichen Lebenswandel an den Tag. Frau Krämer bewies, dass  Karneval und Kirche keine gegensätzlichen Individuen sind. Durch den engen Kontakt mit der eingangs erwähnten Lehrergattin Inge Rathke in der sogenannten „Schönstatt-Gruppe“ kamen beide auf die Idee, den kleineren Mädchen des Dorfes Handarbeiten und nebenbei die christlichen Lehren zu vermitteln. Später wurden die  so genannten „Gruppenstunden“ erweitert, indem auch Jungen Zutritt erhielten. Frau Rathke zog nach Aachen und Frau Krämer regelte alles alleine. Die Handarbeitsangebote rückten durch die männlichen Teilnehmer in den Hintergrund, stattdessen wurde mehr gespielt. Als dann die Spätlese 1971 erstmals ihre  Veranstaltungen nach Lüxheim in  das Festzelt verlegte, „probte“ Frau Krämer mit den Kindern an Karnevalsdienstag quasi eine Sitzung mit den Kindern „unter Ausschluss der Öffentlichkeit“ in dem besagten Zelt. Drei Jahre später wurde dann die erste „offizielle“ Kindersitzung präsentiert. Das Ergebnis ist bekannt.

Durch ihren jahrelangen  vorbildlichen Umgang mit den Kindern und ihre ruhige  Art hat  sie quasi die Jugend mit ihren Spielen behutsam an den Karneval herangeführt. In der heutigen hektischen Zeit gibt es keinen, der soviel Zeit für die Jugend aufbringen kann, so dass auch für Frau Krämer so schnell keine gleichwertige Nachfolgerin gefunden werden dürfte.

Den dritten herben Verlust musste die Spätlese am 16.09.2009 hinnehmen, als Mitgründer und Ehrenmitglied Gottfried Klinkhammer nach langem und mit großer Geduld ertragenem Leiden im Alter von 78 Jahren verstarb. Gottfried war ein „Urgestein“ im gesamten Lüxheimer Vereinsleben. Als junger Bursche war er als „Reymeister“ für die Organisation der Lüxheimer Kirmes verantwortlich, später – nach Neugründung des Sportvereins – spielte er zunächst noch in der 2. Mannschaft, anschließend als Mitglied des Spielerausschusses übernahm er Mitverantwortung für die wöchentliche Aufstellung der 1. Mannschaft. 1962 übertrug ihm sein erkrankter Schwiegervater Theo Empt das Amt des Fahnenträgers der St. Nikolausbruderschaft, das er mehrere Jahrzehnte ausübte, in den ersten Jahren als „junger Schnösel“ zwischen den rd. 30 Jahre älteren altgedienten Offizieren August Franzen und Josef Pieck, später zwischen Bruder Kai und Vetter Karl-Heinz Klinkhammer, die beide gemeinsam mit ihm und den anderen bekannten Mitstreitern 1966 die Spätlese gründeten. Dort war fortan sein „Hauptbetätigungsfeld“. Als Büttenredner und Mitglied der Gesangsgruppe „Die Pökels“, später bekannt als „Die Lüxheimer Hofsänger“, sorgte er immer für eine gute Stimmung in den Sitzungen. Als in den achtziger Jahren der Funkengarde die Ausbilderin fehlte, sprang „Joddie“, wie er liebevoll von den Mädchen genannt wurde, selbstverständlich als Trainer ein.

38 Jahre war er im Vorstand als Zugleiter verantwortlich, sorgte natürlich auch dafür, dass alljährlich genügend „Kamellejeld“ für den Zug zusammenkam. Als zu Beginn der neunziger Jahre der Bau der Bürgerhalle anstand und der Bürgerverein gegründet wurde, war Gottfried wieder in vorderster Front zu finden, sowohl bei den Arbeiten als auch im Vorstand, als er die Funktion des „Geldeintreibers“ für die Halle übernahm, Mitgliederbeiträge kassieren und Spenden sammeln. Wenn er im Januar oder Februar unterwegs war, musste man ihn stets fragen, in welcher Funktion, „für de Zoch oder für de Hall?“.

Einen „Jeck“ -wohlgemerkt im positiven Sinne- wie Gottfried dürfte wird man  in der heutigen Zeit nicht mehr finden.

Alle drei Vorgenannten haben jeder auf seine oder ihre Art die Spätlese in irgendeiner Form geprägt und werden schmerzlich vermisst.